Merkel nimmt Kommunalebene in der Coronakrise in die Pflicht

Berlin – Deutschland ist ein föderales System, in dem der Bund auch in der Coronakrise nicht alles bis auf die kleinste Ebene selbst umsetzen kann. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute in der Regierungserklärung im Parlament mit deutlichen Worten klargestellt. Sie nahm die Kommunen und Länder in die Pflicht und appellierte an die Verantwortung der Politiker vor Ort.
Das Öffnungskonzept, das Bund und Länder beschlossen hätten, und auch die Teststrategie seien auf Regionalisierung ausgelegt und das nehme alle in die Pflicht, machte die Kanzlerin heute in ihrer Rede im Parlament deutlich. „Wir sind ein föderaler Staat“, sagte Merkel. Es sei keinem Oberbürgermeister oder keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen oder Rostock getan werde. „Alle können das machen und der Bund wird immer unterstützend tätig sein“, sagte die Kanzlerin.
Merkel bezieht sich dabei unter anderem auf Modellprojekte mit Test- und Öffnungsstrategien, die in den einzelnen Bundesländern nach einem Bund-Länder-Beschluss möglich sind. In Tübingen läuft seit etwa eineinhalb Wochen und bis zum 4. April ein Modellprojekt zu mehr Öffnungsschritten.
An neun Teststationen können die Menschen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt. Damit kann man in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen. In einer ersten Zwischenbilanz zeigte sich Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) trotz Unregelmäßigkeiten bei der Testauswertung zufrieden.
Tübingen hatte zudem schon früh in der Pandemie auf eine eigene Teststrategie gesetzt. Das Modell wurde durch Palmer und die Initiative von Notärztin Lisa Federle vor Ort möglich. Es setzte von Anfang an auf eine Vielzahl von Coronatestungen und erhielt in ganz Deutschland bundesweite als Tübinger Modell viel Aufmerksamkeit.
Merkel stellte heute im Bundestag klar, dass die Kommunen auch bei den Testungen in Schulen gefragt sind. So hätten alle Bundesländer gesagt, dass ausreichend Tests für März und April vorhanden seien, um in den Schulen auf SARS-CoV-2 testen zu können. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) solle für den Fall, dass weitere Tests notwendig seien, vorsorgen.
„Aber ich sage auch ganz offen: Für 40.000 Schulen und Tausende von Kitas kann der Bund nicht von Berlin aus Testinfrastruktur vorhalten. Dafür haben wir eine föderale Ordnung“, erklärte Merkel. Wenn nach Hilfe gefragt werde, werde der Bund gerne unterstützen. Die Bundeswehr habe schon vielfach geholfen. Aber man könne das vom Bund nicht alles organisatorisch umsetzen.
Zugleich appellierte sie an die Menschen, die Tests auch wahrzunehmen. Wenn nur 30 Prozent, wie sie derzeit höre, in Schulen und am Arbeitsplatz das Testangebot wahrnehmen würden, dann würde das „nicht helfen“. Testen sei die Brücke hin, bis man die Impfwirkung sehe, sagte die Kanzlerin.
Sie betonte auch, dass in den Impfzentren tolle Arbeit geleistet werde. Wo man noch schneller und flexibler werden könne, müsse man es aber werden. Nach Ostern sollten die Hausärzte mit aufsteigender Tendenz in die Impfungen einbezogen werden. Es würden alle gebraucht, um Dosen zu verimpfen. „Es wäre dramatisch, wenn uns das nicht gelingen würde.“ Wenn Impftermine trotz vorhandenen Impfstoffes nicht vergeben würden, sei das nicht in Ordnung.
Bund, Länder und Kommunen müssten sagen, wo sie besser werden könnten. „Wenn wir uns ausruhen, auf dem, was wir haben, reicht es nicht.“ Sie wisse, wie schwer es viele haben, sagte Merkel. Sie betonte aber zugleich: „Man kann auch nichts erreichen, wenn man immer nur das Negative sieht.“ Es sei mit den Impfungen Licht am Ende des Tunnels sichtbar, auch wenn es noch einige Monate dauern werde. „Wir werden dieses Virus besiegen. Und deshalb bin ich ganz sicher, dass wir das schaffen werden.“
Die Kanzlerin sieht das Vermeiden Tausender weiterer Toter durch COVID-19 als maßgebliches Ziel in den kommenden Wochen der Pandemie in Deutschland an. „Wenn bei der Frage, wie wir jetzt vorgehen, der Osterlockdown einzig und allein eine wirklich positive Resonanz bei den Intensivmedizinern gefunden hat, dann sehen Sie, wie groß dort die Sorge ist“, sagte sie. „Und es werden jetzt nicht mehr 90-Jährige sein, die in den Krankenhäusern liegen. Es werden 50-, 60- und 70-Jährige sein. Und das sind Menschen mit sehr vielen Jahren Lebenserwartung.“
Zehn Prozent von ihnen würden laut Experteneinschätzung Coronalangzeitfolgen davontragen. „Das heißt, es lohnt sich, um jeden zu kämpfen, dass er die Infektion nicht bekommt“, sagte Merkel. „Und das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Mit möglichst viel Freiheit für jeden, mit möglichst viel Normalität für jeden. Aber auch mit möglichst viel Rücksicht darauf, dass nicht Tausende von Menschen noch sterben müssen.“ Merkel betonte: „Das muss das Ziel sein für die nächsten Wochen.“
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