Merz: Deutsche gehen zu oft zum Arzt

Berlin – Die Menschen in Deutschland gehen nach Meinung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu oft zum Arzt. „Eine Milliarde Arztbesuche in Deutschland pro Jahr (...) sind ein zweifelhafter europäischer Rekord“, sagte er heute in einer Rede bei einer Veranstaltung des Verbands der Maschinenbauer.
Mit im Schnitt zehn Arztbesuchen pro Kopf und Jahr erreiche das Land einen „einsamen europäischen Rekord“. Es brauche insgesamt „bessere Anreize“ in den sozialen Sicherungssystemen wie Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Arbeitslosengeld, „mit den Ressourcen, die wir haben, sparsamer umzugehen“, führte Merz aus.
Aus der Wirtschaft kamen zuletzt Forderungen, einen oder mehrere Karenztage einzuführen. Im Fall einer Erkrankung eines Arbeitnehmers würde dann in den ersten Tagen kein Lohn fortgezahlt.
Merz bekräftigte angesichts steigender Kosten die Notwendigkeit von Reformen des Sozialstaats. Er hatte einen „Herbst der Reformen“ angekündigt.
Der Kanzler versprach den Abbau bestehender Regulierungen. „Ich stelle mir vor, dass wir im Oktober eine Kabinettssitzung machen, in der wir nicht ein einziges neues Gesetz beschließen, sondern eine ganze Reihe von bestehenden Gesetzen und Regulierungen abschaffen.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die schwarz-rote Koalition unterdessen zu einer wirkungsvollen Reform des Sozialstaats aufgefordert und zugleich vor einem Kahlschlag gewarnt.
„Es ächzt im System. Wir sind – wieder einmal – gefragt, den Sozialstaat zukunftsfähig zu machen“, sagte Steinmeier beim Deutschen Fürsorgetag in Erfurt. Es sei zwingend, ihn schnell effizienter und bürgerfreundlicher zu gestalten. Zugleich rief Steinmeier zu einem umsichtigen Vorgehen auf. „Eine Sozialstaatsreform lässt sich nicht mit der Kettensäge erledigen.“
Er finde es „schlicht unredlich zu behaupten, in unserem Sozialstaat schlummerten zig Milliarden versteckt, die sich ganz problemlos einsparen lassen“. Aber ebenso unredlich wäre es, bei dieser Einsicht stehenzubleiben. „Auch Leistungsbezieher müssen ein Interesse daran haben, dass diejenigen, die diese Leistungen mit Steuern und Abgaben finanzieren, dass die nicht überfordert werden.“
„Unser Sozialstaat ist ein Schatz“, betonte der Bundespräsident. „Unser Sozialstaat ist eine Ressource, die unser Land zu dem gemacht hat, was es ist – und die den beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg, die bislang so stabile Demokratie und den sozialen Frieden der letzten Jahrzehnte überhaupt erst möglich gemacht und abgesichert hat.“
Der Sozialstaat sei aber nicht der politischen Gestaltung entzogen, sagte Steinmeier und wandte sich direkt an die Bundesregierung: „Liebe Koalition, jetzt geht es nicht um Parteitaktik oder Umfragen. Es geht um unser Land. Es geht um den schwierigen Ausgleich von Interessen und um kluge Entscheidungen in der Sache. Dieser Verantwortung müssen Sie gerecht werden.“
Sozialreformen seien Demokratiepolitik, sagte Steinmeier. „Liebe Koalition, seien Sie beherzt und hartnäckig – Ihr Mut wird sich auszahlen, für uns alle.“ Es komme darauf an, den Sozialstaat tragfähig zu halten, also das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben, von Solidarität und Eigenleistung zeitgemäß zu justieren. „Und andererseits, das Vertrauen in Gerechtigkeit und Fairness wiederherzustellen.“
Aus Sicht von Steinmeier geht es um das Beseitigen von Fehlsteuerungen, eine bessere Treffgenauigkeit sozialer Transferleistungen, um die Bekämpfung von Missbrauch, die Vermeidung von Fehlanreizen und die Reduzierung von Doppel- und Dreifachbeantragungen. Nötig seien mehr Austausch unter den Sozialbehörden und die Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge.
„All das ist überfällig“, sagte Steinmeier. Die von der Bundesregierung eingesetzte Reformkommission müsse nicht nur überzeugende Vorschläge liefern - all das müsse auch schnell umgesetzt werden.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann begrüßte die Forderungen Steinmeiers. „Der Bundespräsident hat recht: Wir müssen den Sozialstaat zukunftsfähig machen, Fehlanreize beseitigen und Missbrauch bekämpfen“, sagte Linnemann dem Tagesspiegel.
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