Merz erwartet „ziemlich intensive Diskussion“ über Reformen

Berlin – Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet eine „ziemlich intensive Diskussion“ über die Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung. Das sagte der CDU-Vorsitzende gestern beim ARD-Sommerinterview.
Die Diskussion müsse man dabei „nicht nur in der Koalition führen, sondern auch mit der Öffentlichkeit, mit unserer Gesellschaft“, erklärte Merz. Dann komme man „hoffentlich zu guten Ergebnissen, die diese Systeme auch für die Zukunft tragfähig“ machten.
Aus Sicht von Merz muss es bei der Debatte sowohl um die Frage von Eigenverantwortung, Einzahlung, aber auch Leistungsbezug gehen. „Wir werden natürlich nicht nur über das Leistungsniveau sprechen, sondern wir werden auch über die Beitragszahler sprechen“, betonte Merz. Man werde „über das ganze System zu sprechen haben“.
Aber noch stehe man am Anfang dieser Diskussion. „Wir haben uns das auch in den Koalitionsverhandlungen sehr deutlich vor Augen gehalten, wie die finanzielle Lage der Sozialversicherungen ist. Der Zuschussbedarf werde „jedes Jahr größer“. „Das können wir so nicht lassen“, erklärte der Kanzler.
Er betonte, es gebe viele Stellschrauben, an denen man etwas verändern könne. „Darüber reden wir, da wollen wir diskutieren.“ Auf bestehende Vorschläge wie etwa den Zahnersatz als Kassenleistung zu streichen, ging Merz nicht ein. Er sprach von „schwierigen Fragen“.
Die zuständigen Kommissionen hätten dafür ihre Arbeit „zum Teil sehr konkret bereits aufgenommen“. Die Pflegekommission ist mittlerweile besetzt, die GKV-Kommission ist bisher noch unbesetzt. Im Herbst soll es dann nach Vorstellungen des Kanzlers erste Diskussionen geben. Er teile die Sorgen der jungen Generation über die künftige Finanzierbarkeit des Staates, betonte Merz.
Am dualen System scheint der Kanzler festhalten zu wollen. Es sei keine Lösung, dass alle in die gesetzliche Krankenversicherung gehen. „Die private Krankenversicherung trägt überproportional zur Stabilität des Systems bei“, so Merz. Es gehe darum, die Abgrenzung vorzunehmen und auch das Leistungsniveau zu diskutieren. „Wo fängt Eigenverantwortung an? Wo hört Eigenverantwortung auf und geht in Solidarität über? Diese Grenzen, die müssen auch neu gezogen werden“, sagte Merz.
Wie dringend die Reformen sind und Lösungen gesucht werden, zeigen neue Zahlen vom Wochenende. Wie die Bild berichtet, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aber nicht bestätigen wollte, soll der GKV nun ein Finanzloch von zwölf Milliarden Euro drohen.
TK-Chef Jens Baas, reagierte auf LinkedIn. „Liebes Bundesministerium für Gesundheit, kein Problem, ich bestätige diese Prognose gerne. Dafür muss man nämlich weder hellseherische Fähigkeiten haben noch ein Finanzgenie sein, sondern nur die aktuellen Zahlen anschauen“, schreibt Baas.
Die Ausgaben würden um „sechs bis acht Prozent pro Jahr“ steigen. „Wie genau soll das also ohne Beitragssatzerhöhung und grundlegende Reformen funktionieren? Und das ist auch kein Geheimnis, ich selbst und viele andere weisen seit Langem darauf hin.“
Auf die Aussage des Bundesfinanzministers Lars Klingbeil (SPD), er könne „nicht dauernd angerufen und nach mehr Geld gefragt werden“, schreibt Bass: „Lieber Herr Klingbeil, Sie haben so recht! Ein Versicherungssystem muss sich in sich selbst und ohne Zuschüsse tragen können, und wir brauchen dringend echte Strukturreformen. Allerdings unterschlagen Sie das winzige Detail, dass unsere Versicherten und ihre Arbeitgeber jedes Jahr alleine schon zehn Milliarden Euro für die Versicherung von Bürgergeldempfängern aufbringen müssen! Eine Aufgabe, die unzweifelhaft in Ihr Ressort und von Steuern finanziert gehört.“
„Also: wir verzichten gerne auf ,Zuschüsse'“, wenn Sie uns nur endlich die Gelder zukommen lassen, die uns zustehen. Damit könnte der Beitragssatzanstieg übrigens fast komplett vermieden und die gewonnene Zeit für echte Reformen genutzt werden.“
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Goßner sprach sich dafür aus, Leistungen wie Bürgergeld und Krankenversicherung an vorherige Beitragszahlungen zu koppeln. Die aktuellen Warnungen der Krankenkassen seien ein „Weckruf in letzter Minute“.
Vorschläge zur Kostensenkung werden derzeit viele diskutiert. Der Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger (CSU) denkt zum Beispiel über die Senkung von Verwaltungskosten nach, wie er der Bild sagte. „Ich denke, wir haben kein reines Einnahmen-, sondern vor allem ein Effizienzproblem. Das heißt, wir müssen auch überlegen, wo eingespart werden kann“.
Klaus Holetschek (60), Chef der CSU im Bayerischen Landtag, sagte der Zeitung, es könne „nicht sein, dass wir über Milliardendefizite reden, aber gleichzeitig fast 100 gesetzliche Krankenkassen mitfinanzieren.“ Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, unterstützt demnach diesen Weg: „Mit weniger Kassen und weniger unnötigen Untersuchungen, dafür mit mehr Einzahlern und einer finanziell solideren Basis.“
IKK-Chef Jürgen Honl kann dem wenig abgewinnen. Es sei „die immer gleiche Argumentation: Weniger Kassen, weniger Kosten“, sagte er. „Doch diese Behauptung ist schlichtweg falsch und lenkt von den eigentlichen Herausforderungen ab.“ Mehr als 90 Prozent der Einnahmen der Krankenkassen würden direkt für die Versorgung der Versicherten eingesetzt – im Jahr 2024 sogar „beeindruckende 97 Prozent“. Verwaltungskosten machten also nur einen Bruchteil aus.
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