Politik

Neue Gesundheitsministerin betrachtet Gesundheitspersonal als größten Pluspunkt

  • Donnerstag, 15. Mai 2025
Nina Warken (CDU) Bundesministerin für Gesundheit /picture alliance, Katharina Kausche
Nina Warken (CDU) Bundesministerin für Gesundheit /picture alliance, Katharina Kausche

Berlin – Das Gesundheitspersonal muss künftig mehr in den Blick genommen werden. Das betonte die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) heute bei ihrer Vorstellung des geplanten Regierungsprogramms im Bundestag.

„Diese Beschäftigten sind unser größter Pluspunkt. Sie sind hochqualifiziert und hochmotiviert“, so Warken, die Teil der neuen Bundesregierung von Union und SPD ist. Die Ministerin zeigte sich überzeugt davon, dass man viel mehr erreichen könne, wenn die Politik den Beschäftigten in den Gesundheitsberufen mehr zuhören würde.

Sie könnten am besten davon berichten, wie ihre Arbeit effektiver gestaltet werden könne, wo die Hemmnisse in ihrem Arbeitsalltag lägen und was sie benötigten, um ihre Patienten besser versorgen zu können. „Wir wollen daher nicht nur die Vertrauenskultur stärken, sondern auch die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Gesundheitsberufe“, erklärte Warken. Hier liege das größte Potenzial.

Ärztinnen und Ärzte sollten weniger Zeit für Bürokratie aufbringen müssen und stattdessen mehr Zeit für Patienten haben. Dafür hätten sie ihren Beruf gewählt. Auch die Pflege müsse ihre Kompetenzen mehr einbringen können, betonte Warken. „Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, viele Kompetenzen in der Pflege ungenutzt zu lassen.“

Sie wolle bestehende Missstände im Gesundheitswesen, etwa zunehmende Fahrtwege zu Krankenhäusern, Geburtsstationen oder Apotheken und Lieferengpässe bei Arzneimitteln lösen. Auch die Themen ineffiziente Strukturen, fehlende Nachhaltigkeit bei der Finanzierung, Fachkräftemangel und unzureichende Digitalisierung müssten angegangen werden.

Dialog mit allen Beteiligten suchen

In ihrer Amtszeit wolle Warken deshalb eine Grundlage für eine „gute, bedarfsgerechte und bezahlbare Gesundheitsversorgung für die Menschen im ganzen Land“ schaffen. Die Regierungskoalition von Union und SPD wolle „alles daransetzen, unser Gesundheitssystem besser zu machen.“

Um diese Verbesserungen anzustoßen, sei ein guter Austausch mit allen Beteiligten wichtig, betonte Warken. Sie werde deshalb den Dialog mit Praktikern aber auch mit den Akteuren der Selbstverwaltung suchen und pflegen, kündigte die Ministerin an.

Akteure im Gesundheitswesen hatten dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) während seiner Amtszeit immer wieder vorgeworfen, er habe ihren Forderungen und praktischen Erfahrungen im Rahmen der Gesundheitsreformen nicht genügend Raum gegeben.

Warken wolle zudem einen neuen „Pharmadialog“ starten. Hier müssten die Gesundheitswirtschaft, die Medizintechnik und die Pharmaindustrie als Leitindustrie gestärkt werden. Das sei gut und wichtig für den Standort Deutschland und Europa.

Nötige und tiefgreifende Reformen im Gesundheitswesen wolle sie deshalb vorantreiben und bereits angestoßene Vorhaben, insbesondere die Krankenhausreform weiterentwickeln. Hier werde man bestehende Vorgaben und Anforderungen hinsichtlich der Ziele der Reform prüfen, kündigte Warken an. Für nötige Anpassungen setze sie auf den Dialog mit den Ländern, der Selbstverwaltung und den Praktikern, um entsprechende Erfahrungen einzubeziehen.

Finanzierung des Transformationsfonds ändern

Zügig werde auch die Finanzierung des im Rahmen der Krankenhausreform nötigen Transformationsfonds geändert, erklärte Warken. Die hälftige Finanzierung des Bundes soll künftig aus dem Sondervermögen Infrastruktur bezahlt werden.

Diese Aufgabe dürfe nicht allein von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung geschultert werden, sondern es handele sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dies hatte der Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehen.

Zudem wolle die Regierung, die Lücke von „Soforttransformationskosten“ von Kliniken aus den Jahren 2022 und 2023 schließen, kündigte die Ministerin an. Auch dieses Vorhaben ist im Koalitionsvertrag bereits festgehalten.

Rasch werde man zudem die Notfallreform angehen, erklärte sie weiter. Die Vorarbeiten der Vorgängerregierung, die von Lauterbach vorangetrieben worden waren, seien hierfür nützlich.

Weiter werde man die laufende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) eng begleiten. Ihr besonderes Augenmerk liege auf der Sicherheit und Stabilität der digitalen Neuerung.  Auch die Datensicherheit für eine gute Versorgung und Forschung werde die Regierung verbessern, versprach Warken.

Die Digitalisierung müsse zudem dazu beitragen, die Grenzen der verschiedenen Sektoren zu überwinden. Eine bessere und leichter zugängliche Versorgung solle zudem durch eine bessere Patientensteuerung im ambulanten Sektor ermöglicht werden.

Eine Kommission werde zudem eingerichtet, um stabile Krankenkassenbeiträge mittel- und langfristig zu sichern. Dennoch werde es kurzfristige Maßnahmen auch für die Pflegeversicherung geben, um die Versorgung abzusichern, betonte Warken. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe werde noch in diesem Jahr zudem eine große Pflegereform erarbeiten.

AfD und Linke kritisieren Regierungspläne deutlich

Den angekündigten Einsatz für die Gesundheitsberufe nahmen die Abgeordneten der Linken der Ministerin in ihren drei Redebeiträgen nicht ab und gingen auch mit der Politik der Vorgängerregierungen hart ins Gericht.

So forderten die Abgeordneten Julia-Christina Stange, Fachkinderkrankenschwester am Uniklinikum Mainz, Stella Merendino, Krankenpflegerin in der Notaufnahme in Berlin, sowie Evelyn Schötz, Altenpflegerin aus Nürnberg, deutlich bessere Arbeitsbedingungen für die Pflege. „Ich bin stinksauer auf die Regierungen, die diese Situation zugelassen haben“, erklärte Schötz.

Merendino, die über die Landesliste Berlin in den Bundestag eingezogen ist, nannte den Koalitionsvertrag „eine Ohrfeige für alle, die Tag für Tag arbeiten.“ Schöne Worte reichten nicht, es komme der Pflege darauf an, dass genügend Personal da ist, man „mal Pause machen kann“ und der Feierabend nicht mit drei Stunden Verzögerung beginne, so Merendino, die im blauen Kasack im Bundestag sprach.

„Gesundheit ist keine Ware und wir als Personal sind kein Kostenfaktor, wir sind das Rückgrat der Versorgung“, erklärte Stange. Alle drei sitzen für die Linke künftig im Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Kritisiert wurde die Rede von Warken auch von der Grünen-Abgeordneten Linda Heitmann. Warken habe die wichtigen Themen Suchtprävention und Drogenpolitik nicht adressiert. Das Thema psychische Gesundheit sei ebenfalls wichtig und müsse angegangen werden, betonte die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen.

Die Grünen forderten ebenso die zügige Umsetzung der Notfallreform und eine Reform der Kassenfinanzen. „Als Arzt kann ich Ihnen sagen: Die GKV ist kein Notfallpatient, er ist ein chronisch-kranker Patient“, erklärte Janosch Dahmen, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion.

Eine zügig umgesetzte Notfallreform könne bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr sparen, rechnete er vor. Die Ministerin solle nun zügig handeln und nicht auf das Arbeitsergebnis von Kommissionen und Prüfaufträge warten.

Für eine Aufwertung des Pflegeberufs setzte sich auch Simone Fischer (Grüne), direktgewählte Abgeordnete aus Stuttgart, ein. Bei der Gesetzgebung für eine größere Attraktivität der Pflegeberufe habe die Ampelkoalition bereits viel vorgearbeitet, das könne zügig umgesetzt werden.

Kritisch bewerteten auch die drei Redner der AfD-Fraktion das Handeln der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik. Dass der Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in seiner Regierungserklärung am Vortag nur 20 Sekunden in einer 45-minütigen Rede für Gesundheitspolitik übrig hatte, ärgerte Martin Siechert (AfD): „Das ist kein kümmern, das ist aussitzen.“

Die Regierung müsse „echte Lösungen“ präsentieren, dazu gehöre das Ende der Bürokratie und die Reduzierung der Zahl der Krankenkassen. Er kündigte an, die AfD wolle vor jeder Apotheke und jedem Krankenhaus, die schließen müssten, protestieren. Kay-Uwe Ziegler forderte die Ministerin auf, nun schnell einen Corona-Untersuchungsausschuss einzusetzen. Thomas Dietz sieht die geplante ePA-Einführung als hohes Sicherheitsrisiko.

„Sozialpolitik wird nie fertig“

Naturgemäß positiv bewerteten die Abgeordneten von Union und SPD ihre neue Bundesgesundheitsministerin. So sei „Sozialpolitik nie fertig“, erklärte Dagmar Schmidt, für das Thema Gesundheit im SPD-Fraktionsvorstand zuständig, und die entsprechenden Weichen seien vom vorherigen Minister Karl Lauterbach (SPD) schon richtig gestellt worden. Daran wolle die Fraktion festhalten – besonders bei der Krankenhausreform, bei der Notdienstreform und der Digitalisierung.

Für Mut bei der Fortführung der Krankenhausreform plädierte auch Christos Pantazis. Der direkt gewählte SPD-Abgeordnete aus Braunschweig, der für den Posten als gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion gehandelt wird, erklärte, die „Weiterentwicklung der Reform ist kein verwässern“. Auch für ihn muss eine schnelle Notfallreform kommen, ebenso wie eine Reform der GKV-Finanzen. Kurz- und mittelfristig müsse hier nun gehandelt werden.

Der andere Kandidat, der für den Sprecherposten in der SPD gehandelt wird, sprach grundsätzlicher zur Gesundheitspolitik: Matthias Mieves, direkt gewählter Abgeordneter in Kaiserslautern, forderte die Sicherheit für einen schnellen Zugang zum Gesundheitssystem, Transparenz und gute Betreuung durch Spezialistinnen und Spezialisten.

Für die Union warb die frisch gewählte gesundheitspolitische Sprecherin, Simone Borchardt (CDU), für eine „intelligentere und zielgenauere Gesundheitspolitik“. Dabei seien die Sektorengrenzen zwischen ambulanter, stationärer aber auch pflegerischer Versorgung „endlich aufzuheben“.

Die fehlenden Schnittstellen müssen beseitigt werden. Das gleiche gelte auch für die Digitalisierung, bei der die Pflege nicht Schlusslicht sein dürfe. „Der Pflegeberuf benötigt die Bedeutung, die er verdient.“

Stefan Pilsinger (CSU) führte aus, wie teuer das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen west-europäischen Staaten sei. Daher müsse es nun gute Lösungsansätze geben, die sich aber nicht mit den Vorstellungen der Opposition deckten.

bee/cmk

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