Neue Kritik an Lauterbach wegen Äußerungen zu vierter Coronaimpfung

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mit seinen Äußerungen zur vierten Coronaimpfung erneut Kritik auf sich gezogen. Auch aus der Ständigen Impfkommission (STIKO) kommen verschnupfte Kommentare.
Eine zweite Auffrischungsimpfung gegen Corona – insgesamt dann die vierte Spritze im Impfschema – wird von der STIKO derzeit für Menschen über 70, Vorerkrankte und Pflegepersonal empfohlen.
Lauterbach hatte schon im Juli gesagt, dass vier Impfungen auch für jüngere Menschen in bestimmten Fällen sinnvoll sein könnten, insbesondere wenn sie „ganz viele Kontakte“ hätten. Der 59-Jährige ist selbst viermal geimpft.
In einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe forderte Lauterbach gestern klare Impfempfehlungen für sämtliche Altersgruppen. „Wir sollten nicht nur sagen, was die über 70-Jährigen machen sollen. Wir müssen auch eine Antwort für den 40-Jährigen haben.“
„Es wäre besser, wenn Lauterbach seine Zunge etwas besser im Griff hätte“, sagte Rüdiger von Kries, Mitglied der STIKO, heute im TV-Sender Welt. Es sei „letztendlich nicht nachvollziehbar", warum Lauterbach Druck für eine breite Empfehlung zu einer vierten Impfung aufbaue.
„Es gibt zurzeit keine Notwendigkeit, blitzschnell zu handeln. Es gibt keinen Grund, warum Lauterbach sich zu impfrelevanten Fragen äußert, bevor die STIKO sich mit diesen befasst hat.“ Die Unabhängigkeit der STIKO sei ein hohes Gut und dürfe nicht infrage gestellt werden. Der Druck Seiten des Gesundheitsministers sei „unangenehm“, sagte von Kries.
Er halte das Drängeln von Lauterbach „für fehl am Platz“, sagte auch der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann. Die Politik solle sich nicht in die Wissenschaft und die Arbeit der STIKO einmischen. „Ich nenne das Staatsmedizin, die meistens wissenschaftsbefreit ist.“ Die unabhängige STIKO genieße großes Vertrauen der Ärzteschaft und der Bevölkerung und dürfe nicht infrage gestellt werden.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der Welt, Lauterbach setze „die STIKO über die Medien bewusst unter öffentlichen politischen Druck“. Mit Wissenschaft habe das „nicht mehr viel zu tun“. Lauterbach erhoffe sich eine Impfempfehlung der STIKO, die mit seiner persönlichen Meinung übereinstimmt.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogler, äußerte ähnliche Kritik. „Es kann nicht Aufgabe des Gesundheitsministers sein – egal wie hoch seine wissenschaftliche Expertise sein mag –, die Empfehlungen des zuständigen wissenschaftlichen Fachgremiums zu konterkarieren“, sagte sie der Zeitung.
Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, zeigte sich ungehalten. Er sagte der Rheinischen Post, Impfempfehlungen müssten eine wissenschaftliche Grundlage haben.
Zwar könne es sinnvoll sein, dass die Empfehlung für die vierte Impfung beispielsweise auf Menschen ab 60 ausgedehnt werde. „Dies muss aber von der wissenschaftlichen Studienlage abhängig gemacht werden, nicht von politischen oder persönlichen Wunschvorstellungen oder von Impfstoffverfügbarkeiten“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: