Niedersachsen: Bedarf an Krankenhausbetten wird bis 2040 voraussichtlich steigen

Hannover – Ein aktuelles Gutachten für die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen geht davon aus, dass bis 2040 mehr Krankenhausbetten benötigt werden als heute.
Das Gutachten soll als Grundlage für einen neuen Krankenhausplan in Niedersachsen dienen, der im Zuge der bundesweiten Krankenhausreform derzeit erarbeitet wird. Dieser Krankenhausplan, der erstmals auf Leistungsgruppen basiert, soll 2027 in Kraft treten.
Zwar waren 39.557 vollstationäre Planbetten im Jahr 2024 vorgesehen, jedoch liegt der errechnete Bedarf für das Jahr 2023 in Niedersachsen nur bei 34.641 stationären Betten. Die Betten könnten also um etwa 12 Prozent reduziert werden. Diese Berechnung basiert auf den vollstationären Fallzahlen und Verweildauern des Jahres 2023 unter der Annahme des im niedersächsischen Krankenhausplans 2022 festgehaltenen sogenannten Sollnutzungsgrad.
Die tatsächlich realisierbare Reduktion könne jedoch geringer ausfallen, weil etwa Planbetten nicht zwingend den tatsächlich aufgestellten Betten entsprechen oder weil durch andere Faktoren, etwa Personalmangel oder Reparaturen, nicht alle aufgestellten Betten im geplanten Umfang auch genutzt werden könnten.
Obwohl Niedersachsen im Vergleich mit anderen Bundesländern bereits verhältnismäßig wenig Betten je 100.000 Einwohner aufweise und auch die Bettenauslastung leicht über dem Bundesdurchschnitt liege, könne deshalb von derzeit existierenden Überkapazitäten hinsichtlich der im Krankenhausplan ausgewiesenen Betten ausgegangen werden, heißt es in dem Gutachten des Beratungsunternehmens PD.
Nach der temporären Absenkung des Bedarfs werde dieser allerdings bis 2040 voraussichtlich wieder ansteigen, prognostiziert das Gutachten. Wenn man das Ambulantisierungspotenzial in vielen Bereichen berücksichtigt, würde der Bedarf bis 2040 um knapp 2.200 Betten wachsen (plus sechs Prozent). Ohne die Ambulantisierung wären es laut PD sogar rund 3.500 mehr benötigte Betten (plus zehn Prozent). Bei der Prognose der Bettenzahlen wird davon ausgegangen, dass die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus konstant bleiben wird.
Für diese Berechnung wurden Abrechnungs- und Behandlungsdaten der Krankenhäuser sowie Daten zur Bevölkerungsvorausberechnung vom Landesamt für Statistik Niedersachsen für den Zeitraum 2023 bis 2042 verwendet. Dabei berücksichtigt das Gutachten für die Bevölkerungsvorausberechnung die Variante „Relativ starke Zuwanderung“ – mit der ein Bevölkerungsanstieg in Niedersachsen bis 2040 angenommen wird. Entsprechend führt dies in fast allen Szenarien auch zu einer Zunahme von stationären Fällen in Niedersachsen.
Unterschiedliche Bedarfe in Geriatrie und Pädiatrie
Aufgrund der demografischen Alterung der Bevölkerung könne weiter davon ausgegangen werden, dass in einzelnen Versorgungsbereichen mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Bettenkapazitäten benötigt werden, etwa in der Geriatrie. In anderen Bereichen (etwa bei den Geburten oder in der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin) werden es wahrscheinlich weniger Fälle und damit auch weniger Betten benötigt, heißt es in dem Gutachten.
Eine Herausforderung für die Krankenhausplanung werde zudem sein, dass sich der demografische Wandel und das Bevölkerungswachstum nicht gleichmäßig über das Land vollzieht. Vor allem im Süden Niedersachsens werde es zu einer deutlichen Alterung der Bevölkerung kommen – bei gleichzeitig sinkender Einwohnerzahl.
Das Gutachten geht davon aus, dass die stationären Fallzahlen im Vergleich zu den Ist-Fallzahlen von 2023 von etwas mehr als 1,5 Millionen um sechs Prozent auf etwas mehr als 1,4 Millionen Fälle in 2040 sinken könnten – sofern die Ambulantisierung vorangetrieben wird. Erfolgt dies nicht, würde die Fallzahl auf mehr als 1,7 Millionen Fälle steigen, so die Schätzung im Gutachten.
Interessant ist, dass die benötigte Bettenkapazität trotz etwas sinkender Fallzahlen beim Ambulantisierungsszenario steigen würde. Wenn die potenziell ambulantisierbaren Fälle herausgerechnet werden, verändere sich entsprechend auch die durchschnittliche Verweildauer der verbleibenden stationären Fälle, erläutert das Gutachten. „Da tendenziell insbesondere Fälle mit kürzeren Verweildauern ambulant behandelt werden können, verlängert sich rechnerisch die durchschnittliche Verweildauer der Patientinnen und Patienten, die weiterhin stationär versorgt werden müssen“, heißt es weiter.
Spagat zwischen der richtigen Bettenzahl
Die Planungsbehörde müsse den Wandel demnach engmaschig begleiten, damit auf der einen Seite in den nächsten Jahren nicht zu viele Betten unbelegt sind, auf der anderen Seite perspektivisch dennoch genügend Kapazitäten an den „richtigen“ Orten und für die „richtigen“ Leistungen zur Verfügung stehen, lautet die Empfehlung an die Landesregierung.
Die derzeitige Erreichbarkeit stationärer Versorgung könne dem Gutachten zufolge in Niedersachsen in vielen Fachbereichen „größtenteils als gut bis sehr gut eingestuft werden“. Eine nächstgelegene Geriatrie konnten 2023 etwa rund 96 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 40 Minuten Fahrzeit erreichen.
Rund 89 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahren konnten zudem ein entsprechendes Krankenhaus für Kinder- und Jugendmedizin innerhalb von 40 Minuten erreichen. Rund drei Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren benötigten 2023 länger als 40 Minuten zum nächstgelegenen Geburtshilfestandort.
Die 13 Perinatalzentren in Niedersachsen konnten hingegen nur noch 61 Prozent der Frauen in 40 Minuten erreichen. Da es sich bei der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen jedoch um eine hochspezialisierte und größtenteils planbare Leistung handele, seien längere Fahrzeiten aus qualitativer Sicht vertretbar, heißt es in dem Gutachten.
Auch die Erreichbarkeit der Notfallversorgung sei flächendeckend gegeben. Ein Standort mit Notfallstufe konnte 2023 von 94 Prozent der Bevölkerung in unter 30 Minuten erreicht werden. Und: Drei Prozent der Menschen mit einem Schlaganfall wurden an Standorten ohne Stroke Unit versorgt. Um diese Versorgung zu verbessern, sei auch der Ausbau von telemedizinischen Strukturen zentral. Auch bundeslandübergreifende Lösungen müssten in Betracht gezogen werden.
Konzentration in elektiven Bereichen möglich
In einigen, vor allem elektiv geprägten Leistungsgruppen sowie in Versorgungsbereichen mit vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten Mindestmengen konnte eine Vielzahl von Leistungsanbietern in Niedersachsen festgestellt werden. Dies betreffe die Endoprothetik, die Senologie sowie einige onkochirurgische Leistungen oder im Bereich der interventionellen Kardiologie.
Vor allem in Ballungsregionen, etwa in der Region Hannover oder rund um Braunschweig gebe es teilweise viele Anbieter in nächster Nähe, wobei einige bestimmte Leistungen nur in geringer Anzahl erbracht haben. Hier ergebe sich Konzentrationspotenzial, auch vor dem Hintergrund einer höheren Behandlungsqualität.
Allerdings gebe es insbesondere im nördlichen Teil der Versorgungsregion Elbe-Weser, im östlichen Teil der Versorgungsregion Lüneburg, an der Nordsee oder in im Landkreis Diepholz Regionen, in denen die Fahrzeiten für die Bevölkerung häufig länger waren als für den Rest der Einwohnerinnen und Einwohner Niedersachsens.
„Eine Reduktion des Behandlungsangebots würde hier – insbesondere bei spezialisierten Leistungsgruppen – in der Regel zu einer deutlichen Verlängerung der Fahrzeiten für die Bevölkerung führen“, heißt es im Hinblick auf die anstehende Krankenhausreform und das damit verbundene Ziel der Konzentration von Standorten.
Zudem seien insbesondere an den Landesgrenzen längere Fahrzeiten zu beobachten. Deshalb brauche es künftig verstärkt eine krankenhausplanerische Abstimmung Niedersachsens mit den benachbarten Bundesländern, um etwaige Versorgungslücken zu schließen.
Im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Geburtsmedizin müssten in einigen Regionen zunächst die Versorgung und Fahrzeiten geprüft werden, bevor Leistungsangebote konzentriert würden, empfiehlt das Gutachten weiter.
Viele Niedersachsen in benachbarten Bundesländern versorgt
Zudem wurden mithilfe der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) und den Abrechnungsdaten ermittelt, wie viele Menschen aus Niedersachsen in anderen Bundesländern stationär versorgt wurden und wie viele Nicht-Niedersachsen im Bundesland in Kliniken behandelt worden sind. 2023 wurden rund 217.000 vollstationäre Patientinnen und Patienten aus Niedersachsen durch Krankenhäuser in anderen Bundesländern versorgt. Der größte Teil in Bremen (rund 64.200 Fälle), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (rund 55.600 Fälle).
Deutlich weniger (rund 116.000 Patientinnen und Patienten) mit Wohnort außerhalb Niedersachsens wurden in niedersächsischen Krankenhäusern versorgt. Das entspricht etwa sieben Prozent aller Fälle in Niedersachsen.
Der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD), erklärte das Gutachten als „weiterer wichtiger Baustein für die Gestaltung der niedersächsischen Krankenhauslandschaft“. Es bestätige bisherige zentrale Befunde und Handlungsbedarfe. „Wir verfügen bei den Leistungsgruppen insgesamt über ein breites Portfolio und die allermeisten medizinischen Eingriffe können in einer für die Patientinnen und Patienten guten Erreichbarkeit vorgenommen werden.“
Diese positiven Versorgungsstrukturen müssten durch eine gezielte Konzentration von Leistungen gesichert werden. Zugleich müsse in bestimmten Regionen des Landes der Zugang zur stationären Versorgung verbessert werden, so Philippi. „Mein Ziel ist, allen Bürgerinnen und Bürgern bestmögliche Gesundheitsversorgung anzubieten. Dem ländlichen Raum werden wir daher bei der Umsetzung der Krankenhausreform ein besonderes Augenmerk widmen.“ Weiße Flecken im Versorgungsnetz werde man nicht akzeptieren.
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