Pandemie bremste Verbesserungen bei der Organspende aus

Frankfurt am Main – Die Organspendezahlen in Deutschland stagnieren. Dennoch zeigte sich die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) heute auf ihrer hybriden Jahrestagung in Frankfurt am Main optimistisch. Die DSO befasst sich heute und morgen mit den aktuellen Entwicklungen der Organspende und Transplantation in Deutschland.
Die Stagnation der Spenden sei angesichts des gefühlten Aufbruchs durch die vor gut zwei Jahren verabschiedeten gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung der Organspende enttäuschend, jedoch vor dem Hintergrund der COVID 19-Pandemie positiv zu bewerten, hieß es von der DSO.
„Die Belastungen auf den Intensivstationen haben in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, nicht zu Einbrüchen bei der Organspende und Transplantation geführt“, erläuterte der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, heute auf der Eröffnungspressekonferenz.
Leider hätten jedoch aufgrund der außergewöhnlichen Belastungen in den Kliniken im Zuge der Coronapandemie die durch die Gesetzgebung vorgegebenen Rahmenbedingungen und die begleitenden Maßnahmen aus dem Initiativplan nicht in dem gewünschten Maße umgesetzt werden können.
„Somit ist die angestrebte Steigerung der Organspende zunächst noch ausgeblieben“, so Rahmel. Zwar habe die gute Infrastruktur in Deutschland während der Pandemie eine breitflächige Überforderung der Intensivstation verhindert, gleichzeitig sei jedoch nicht auszuschließen, dass die angespannte Personalsituation zu der Stagnation der Organspendezahlen beigetragen habe.
Konkret gab es in diesem Jahr bis Ende September 696 postmortale Organspender und 2.182 gespendete Organe (Vergleichszeitraum in 2020: 707 Organspender, 2.301 gespendete Organe). Auch 2020 waren die Zahlen in Deutschland mit 913 postmortalen Organspendern gegenüber 932 in 2019 trotz der im Frühjahr 2020 einsetzenden Pandemie annähernd stabil geblieben.
Zum Hintergrund: 2019 waren das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende und der begleitende Gemeinschaftliche Initiativplan Organspende in Kraft getreten. Nun sei zu hoffen, dass das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende aus 2020, das im März kommenden Jahres in Kraft tritt, sowie die Entspannung der pandemischen Lage eine Trendwende bringe, sagte Thomas Biet, Kaufmännischer Vorstand der DSO.
Die Ausnahmesituation während der Pandemie und damit die enormen Leistungen der Universitätsmedizin verdeutlichte Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Die Stagnation der Organspendezahlen trotz gesetzlicher Änderungen sieht der Kliniker positiv: „Es ist ein echter Erfolg, dass die Organspendezahlen während der Pandemie stabil geblieben sind“, betonte er.
„Die Uniklinika haben in der Pandemie nicht nur schwererkrankte Patientinnen und Patienten versorgt, sondern auch die regionale Koordination der Versorgung der COVID-Patienten übernommen.“ Dieser Netzwerkgedanke mit einem Uniklinikum im Zentrum und eine klare Aufgabenteilung müssten auch zukünftig im Mittelpunkt der Krankenhausplanung stehen, so Scholz. Dies könne auch der Organspende bundesweit einen zusätzlichen Schub verleihen.
Viele der gesetzlichen Neuerungen, die Anlass zur Hoffnung auf künftig steigende Organspendezahlen geben, betreffen die Transplantationsbeauftragten in den Entnahmekrankenhäusern. Sie seien das wesentliche Bindeglied zwischen Klinikpersonal und der DSO als Koordinierungsstelle und müssten dringend gestärkt werden, betonte Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und Vorsitzender des Stiftungsrates der DSO.
Trotz der neuen gesetzlichen Regelungen sei das System der Transplantationsbeauftragten noch nicht mit der Effizienz überall so umsetzt sei, wie man es sich wünsche, bedauerte er. Die Förderung der Transplantationsbeauftragten erfolge leider manchmal nicht wie vorgesehen, Freistellungsmöglichkeiten würden teilweise nicht genutzt. Nach Bewältigung der aktuellen Krise müsse der Fokus auf die Organspende wieder geschärft werden, forderte Montgomery.
„Allein durch Gesetzesänderungen gelingt keine Verbesserung, diese müssen auch entsprechend umgesetzt und gelebt werden“, betonte auch Rahmel. Dies untermauere eine aktuelle Umfrage der Bundesärztekammer vom Sommer dieses Jahres unter mehr als 800 Transplantationsbeauftragten, deren erste Ergebnisse auf dem Kongress vorgestellt werden.
Danach würden lediglich 47 Prozent der Transplantationsbeauftragten für ihre Funktion von ihren sonstigen Aufgaben in der Klinik freigestellt und der Großteil (73 Prozent) sehe diese auch nicht als eine Karrierechance. „Da sind wir enttäuscht“, sagte Rahmel. Positiv sei jedoch, dass sich 71 Prozent der Transplantationsbeauftragten über ihre Position freuten.
Freude über ihre Tätigkeit empfindet auch Kati Jordan, Transplantationsbeauftragte im Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin. „Aus Hoffnungslosigkeit Chancen generieren, das bedeutet Transplantationsmedizin“, sagte sie heute. „Die Aufgaben als Transplantationsbeauftragte muss man ausüben wollen, sondern gerät der Spendeprozess in Gefahr.“ Noch immer kursiere Unsicherheit und Unwissenheit in der Bevölkerung, über Aufklärung müsse das Vertrauen zurückgewonnen werden.
Damit dies in der täglichen Praxis möglich wäre, müssten die Klinikleitungen in die Pflicht genommen werden und dafür sorgen, dass die im Gesetz verankerte Freistellung nicht nur auf Nachfrage der DSO bejaht, sondern auch wirklich gelebt werde.
„Was uns die Pandemie hinsichtlich der Organspende aufgrund der extremen Belastungen der Kliniken gekostet hat, sind die Zeit und die Ressourcen, die es gebraucht hätte, um die Gedanken und Forderungen der Gesetzesänderungen vollständig und hinreichend umzusetzen. Jetzt nach der Pandemie sollte die Zäsur kommen.“
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