Patientenbeauftragter setzt sich für die Widerspruchsregelung bei der Organspende ein

Berlin – Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), hofft, dass Patientinnen und Patienten auf Organspendewartelisten in Deutschland künftig schneller ein passendes Organ zur Transplantation erhalten. Heute besuchte er auf dem Virchow-Campus der Charité - Universitätsmedizin Berlin sowohl Patienten, die schwerstkrank auf der Intensivstation auf ein Spenderorgan warten als auch Patienten, die in den vergangenen Wochen transplantiert werden konnten.
„Diese Begegnungen mit den Menschen auf der Intensivstation, die auf ein Organ warten und nicht wissen, ob sie vorher versterben, vergisst man nicht“, sagte er. Es sei bezeichnend, dass in Deutschland Menschen im Durchschnitt acht bis zehn Jahre auf ein Organ warten müssten, während in anderen Ländern aufgrund eines größeren Angebots an Spenderorganen Transplantationen schneller erfolgen könnten.
Sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden, kann man abverlangen
„Wir brauchen in Deutschland auch die Widerspruchsregelung“, ist Schwartze überzeugt. Noch in dieser Woche werde wahrscheinlich eine Orientierungsdebatte zu diesem Thema im Bundestag erfolgen, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt, das ihn bei seinem heutigen Patientenbesuch an der Charité begleitete.
„Als Patientenbeauftragter erfahre ich seit Jahren von betroffenen Patientinnen und Patienten, wie groß der Wunsch nach Verbesserungen im Bereich der Organspende und Organtransplantation in Deutschland ist“, so Schwartze. Die Widerspruchsregelung könne ein Weg sein dies zu erreichen. „Sich zu entscheiden, ob man nach seinem Tod Organe spenden möchte oder nicht, kann man den Menschen abverlangen“, betonte er. Es solle keinen Zwang zur Spende geben, aber die Auseinandersetzung mit dem Thema sei wichtig - allein schon, damit man nicht seinen Angehörigen im Ernstfall diese Entscheidung aufbürde.
Dies unterstrich auch Kai-Uwe Eckardt, Leiter der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und internistische Intensivmedizin am Virchow-Klinikum der Charité. „Im medizinischen Bereich gibt es diesbezüglich großes Engagement“, sagte er. „Aber auch in der Bevölkerung muss die prinzipielle Zustimmung zur Organspende, die es ja gibt, auch zu einer verbindlich niedergelegten Entscheidung führen.“
Schwartze gehört zu den Initiatoren des im Juni in den Bundestag eingebrachten interfraktionellen Gesetzentwurfs zur Einführung einer Widerspruchsregelung im Transplantationsgesetz. Dieser sieht vor, dass künftig jede Bürgerin und jeder Bürger automatisch in die Organ- oder Gewebespende einwilligt, sofern sie oder er nicht ausdrücklich widerspricht. Diese Regelung soll das bisherige System der Entscheidungsregelung ablösen, bei dem eine aktive Zustimmung zur Organspende erforderlich war.
Wir sollten noch in dieser Legislatur abstimmen
„Bislang haben den Entwurf 220 Abgeordnete des Deutschen Bundetages unterschrieben“, berichtete Schwartze heute. Jetzt sei es wichtig, dass sich in den letzten Wochen vor den Neuwahlen viele Parlamentarier nochmals mit dem Entwurf auseinandersetzten, sagte er. „Wir sollten noch in dieser Legislatur darüber abstimmen“, erklärte er. Ansonsten würde sich die Befassung mit dem Thema Neuregelung der Organspende wieder um ein bis zwei Jahre verschieben. „Anträge müssten dann neu eingereicht werden.“
Für Schwartze drängt die Zeit: „Jeden Tag sterben in Deutschland Bürgerinnen und Bürger, weil nicht rechtzeitig ein passendes Spenderorgan gefunden wird. Mit der Widerspruchslösung möchten wir mehr Menschen die Chance auf ein neues Leben geben. Ich werde mich aktiv dafür einsetzen, dass dieser Systemwandel zugunsten aller Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten umgesetzt wird.“
Um die Freiwilligkeit der Organspende zu gewährleisten, sieht der von ihm mitgetragene Gesetzesentwurf umfassende Informationskampagnen vor. Es sollen bei den Informationsschreiben und der allgemeinen Aufklärung Aspekte der Inklusivität, beispielsweise durch „leichte Sprache“ oder Informationen in anderen Sprachen, berücksichtigt werden. Zudem sollen die Verfahren zur Registrierung eines Widerspruchs einfach und barrierefrei gestaltet werden.
Bei seinem Besuch an der Charité traf Schwartze auf Norman Bier, der vor drei Wochen eine Spenderniere erhalten hatte. „Ich bin glücklich, meinen Alltag jetzt wieder ohne ständige Dialyse gestalten zu können“, sagte Bier. Trotz seiner Erkrankung habe er die letzten Jahre immer versucht, seinen Alltag beizubehalten und auch arbeiten zu gehen. Dies sei aber nicht immer leicht gewesen.
Bier gehörte zu den drei bis fünf Prozent der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste, für die ein „immunologischer Zwilling“, ein besonders gut gematches Spenderorgan, gefunden werden konnte. Dadurch erhielt Bier priorisiert das Spenderorgan und den erlösenden Anruf bereits nach fünf Jahren auf der Warteliste.
Biers Dank gilt seinem und den Spendern. Auch das DANK-Mal am Campus Virchow-Klinikum, das Schwartze heute ebenfalls besuchte, würdigt diese. Es symbolisiert den Flügelschlag eines Schmetterlings und erinnert an die kurze schicksalshafte Berührung von Spendenden und Empfangenden im Augenblick der Organspende und Transplantation. 2021 wurde die Skulptur als ein Ort des Dankes enthüllt.
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