Pflegekammer als Zankapfel: Protest im zehnten Jahr des Bestehens

Mainz/Trier – Die Zukunft der Pflege ist eine der wohl größten sozialpolitischen Herausforderungen in Deutschland. Während die Bevölkerung immer älter wird, fehlen vielerorts Fachkräfte in der Pflege. Kammern auf Länderebene sollten nicht nur das Ansehen dieses wichtigen Berufs vermehren, sondern auch mehr Menschen für diese Tätigkeit gewinnen helfen.
Allerdings gibt es solche Gremien bisher nur in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Zuletzt scheiterte dazu ein Anlauf in Baden-Württemberg 2024. In Rheinland-Pfalz könnte Anfang 2026 das zehnjährige Bestehen begangen werden – doch nicht alle wollen mitfeiern. In Koblenz wird bald wieder gegen die Pflegekammer demonstriert, wie zuvor bereits in Trier.
„Ich war 2016 für die Pflegekammer, habe auch dafür unterschrieben, muss aber nach neun Jahren sagen: Die Pflegekammer hat für die Pflegefachkräfte in Rheinland-Pfalz nichts bewirkt“, kritisierte der Sprecher des Pflegebündnisses Trier, Michael Pauken.
Es gebe keine Verbesserung sagte er und verwies auf Petitionen und Demonstrationen gegen die Kammer. Die Kritiker fragten sich, warum man in Rheinland-Pfalz für die Mitgliedschaft in der Kammer bezahlen müsse, woanders aber nicht.
Der 52-Jährige ist Krankenpfleger und leitet eine Senioreneinrichtung in der Region Trier. Für ihn sei die Kammer zu einem Standortnachteil geworden, sagt er. Unter anderem, weil nicht alle Pflegefachkräfte die Gebühren entrichten müssen.
Die Kammer bestätigt das. So erfragten etwa nicht alle Arbeitgeber, ob Beschäftigte sich bei der Kammer angemeldet haben. Demnach gebe es aktuell knapp 40.000 Mitglieder, die im Durchschnitt 11,80 Euro pro Monat entrichteten – entsprechend einer Selbstauskunft zu ihrem Einkommen.
Diese würden nun in einer Mitgliederbefragung um Verbesserungsvorschläge gebeten, teilte Kammerpräsident Markus Mai Mitte Juni vor Journalisten mit. „Die Abschaffung der Pflegekammer wäre ein Schaden für alle“, betonte er.
Zwar finden in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2026 turnusmäßig die nächsten Landtagswahlen statt, doch gehe er derzeit nicht davon aus, dass die unter der damaligen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) installierte Einrichtung gefährdet sei.
Mai betonte, dass die Pflege durch die Kammer einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert erfahren könne. Zusammen mit den Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen würden mehr als 250.000 Pflegefachkräfte repräsentiert – dies seien mehr als in den Gewerkschaften. Und politisches Gehör damit sicher.
Als bundesweit erste Pflegekammer übernehme man in Rheinland-Pfalz zudem zentrale Aufgaben der beruflichen Selbstverwaltung, etwa in Fort- und Weiterbildung. Damit solle die Qualität der Versorgung sichergestellt werden.
Auch springe die Kammer für Beschäftigte und Menschen in schwierigen Pflegesituationen in die Bresche. Dann trete sie an die verantwortlichen Träger heran, so Mai, der gelernter Krankenpfleger ist und viele Jahre im katholischen Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Pflegedirektion arbeitete.
Mai, der sich auch im Deutschen Pflegerat (DPR) einbringt, wirbt dafür, dass andere Bundesländer dem Beispiel folgen und Kammern einrichten. Entsprechenden Austausch dazu gab es zuletzt mit Sachsen, Brandenburg und Thüringen – momentan sei es allerdings ruhig.
Das Thema bewegt auch Michael Pauken weiter. „Vor neun Jahren hatte man die Hoffnung, dass andere Bundesländer auch eine Kammer gründen, dem ist aber nicht so. Diese wurden erst gar nicht errichtet oder mittlerweile wieder abgeschafft“, sagt der Kritiker. „Es gibt nur noch eine in NRW, die aber keine Gebühren verlangt.“ Wer aber in Rheinland-Pfalz in dem Beruf arbeiten wolle, müsse „Zwangsgebühren bezahlen“.
Zuletzt habe eine Gebührenanpassung das Fass zum Überlaufen gebracht. Ärger über die Kammer empfinden offenbar auch andere, wie die Facebookseite „Stopp der Pflegekammer RLP“ zeigt. Rund 1.700 Mitglieder hat die dortige Gruppe. Die Rhein-Zeitung druckte heute fast eine ganze Seite mit kritischen Leserbriefen. „Unnötig wie ein Kropf“ und „Kammer vertritt nur sich selbst“ lauteten zwei Überschriften.
Am 5. Juli sind in Koblenz zahlreiche Demonstranten zu erwarten, wenn gegen eine verpflichtende Kammermitgliedschaft protestiert wird. Die Kammer hält dagegen, die kritisierte Gebührenerhöhung betrage im Schnitt weniger als zwei Euro pro Monat und sei die erste Anpassung überhaupt.
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