„Recht auf Vergessenwerden“ für Überlebende von Krebs im Kinder- und Jugendalter gefordert

Berlin – Betroffenengruppen und Fachgesellschaften haben erneut ein Ende der Benachteiligung von Menschen gefordert, die im Kinder- und Jugendalter eine Krebserkrankung überstanden haben. Der Verein Survivor Deutschland und die Deutsche Kinderkrebsstiftung drängen in einem Positionspapier auf „die Umsetzung des ‚Rechts auf Vergessenwerden‘ für alle Survivor (Überlebende) nach fünf Jahren Heilungsbewährung“.
Auch Jahrzehnte nach einer überstandenen Krebserkrankung würden Menschen noch finanzielle und soziale Nachteile erfahren, hieß es. So sei es für Überlebende bisweilen unmöglich, in die private Krankenversicherung zu wechseln oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Auch bei Adoptionen und bestimmten Berufen gebe es Schwierigkeiten, weil eine erneute Krebserkrankung befürchtet werde.
Ähnliche Forderungen stellten im Juni vergangenen Jahres bereits die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs (DSfjEmK) auf, die auch den aktuellen Aufruf unterstützen.
Jährlich erkranken in Deutschland den Angaben zufolge rund 2.200 Kinder und Jugendliche neu an Krebs. Mehr als 80 Prozent davon überlebten die Krankheit. So leben nach Schätzungen des Kinderkrebsregisters mehr als 40.000 Menschen nach einer Krebserkrankung im Kindes- oder Jugendalter, sogenannte Survivor, in Deutschland.
Eine Umfrage unter 111 Überlebenden Ende 2024 habe das Problem der Diskriminierung noch einmal deutlich gemacht, heißt es in dem Positionspapier. Demnach gaben 77 % der Befragten an, mindestens eine Form der Benachteiligung durch ihre Krebsdiagnose im Kindes- und Jugendalter erfahren zu haben.
Häufig geht es dabei um Probleme mit Versicherungen. Die Umfrage mache deutlich, „dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern vielmehr um ein strukturelles Problem handelt“, schreiben die Initiatoren des Positionspapiers.
In europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien und Belgien gebe es bereits gesetzliche Regelungen zum „Recht auf Vergessenwerden“, die besagten, dass nach einer gewissen Zeit frühere Krebserkrankungen bei Versicherungen, Finanzgeschäften, Verbeamtung und Adoption nicht mehr berücksichtigt werden dürften.
In Deutschland sei das nicht der Fall. Zwar entfalle bei ehemaligen Krebspatienten nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit, die in der Regel fünf Jahre beträgt, der Behindertenstatus und damit verbundene Vorteile. „Eine Ungleichbehandlung in sozialen und finanziellen Belangen bleibt jedoch weiterhin bestehen.“
Die Initiatoren sehen „dringenden Handlungsbedarf“. Sie verweisen auf EU-Richtlinie 2023/2225.
Survivor Deutschland und die Deutsche Kinderkrebsstiftung fordern in Ihrem Positionspapier unter anderem, dass die EU-Richtlinie 2023/2225 zur Gleichstellung bei Finanzprodukten in Deutschland vollständig umgesetzt wird.
Außerdem wollen sie eine Überarbeitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), um transparente Risikobewertungen von Versicherungen sicherzustellen.
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