Politik

RKI-Chef Wieler warnt vor dritter Coronawelle

  • Freitag, 26. Februar 2021
/picture alliance, Kay Nietfeld
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Berlin – Wenige Tage vor der nächsten Bund-Länder-Runde zur Coronapolitik hat RKI-Chef Lothar Wieler zu großer Vorsicht bei weiteren Öffnungsschritten gemahnt. Wochenlang seien die Infektionszahlen zu­rückgegangen – doch nun gebe es „deutliche Signale einer Trendumkehr“, warnte der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) heute in Berlin.

Die Schutzmaßnahmen müssten weiter beachtet werden, „ansonsten steuern wir in eine weitere, in eine dritte Welle hinein“. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfahl „größtmögliche Um­sicht und Vorsicht“.

Spahn regte in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wieler eine Debatte über den Inzidenzwert 35 an, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten in ihren Beratungen vor zwei Wochen als Schwelle für umfassendere Öffnungsschritte vereinbart hatten. Er sehe nicht, „dass die 35 in naher Nähe bundesweit und in vielen Bundesländern erreichbar ist“, sagte Spahn. Die Diskussion über diesen Wert „muss man führen“.

Im Kampf gegen die Pandemie sei das Land „auf einem wirklich guten Weg“ gewesen – und dann seien die besonders ansteckenden Virusmutanten hinzugekommen, sagte Spahn. RKI-Chef Wieler sagte, gera­de die britische Variante sei „deutlich gefährlicher – und zwar in allen Altersgruppen“. Die Zahl der CO­VID-19-Patienten auf Intensivstationen gehe insgesamt zwar leicht zurück. In zwei Bundesländern steige sie aktuell aber wieder.

Wieler mahnte eindringlich, im Falle weiterer Lockerungen die bekannten Infektionsschutzregeln einzu­halten und zudem auf eine Strategie umfassenden Schnelltestens zu setzen. Nur so „kann man das Infek­tionsgeschehen unten halten“. Minister Spahn sagte mit Blick auf den Weg aus dem Lockdown: „Vorsicht, Impfen, Testen sind drei wichtige Bestandteile für unseren Weg.“

Wieler und Spahn wiesen darauf hin, dass es Hinweise auf erste messbare Positiveffekte der Impfkam­pagne gebe – nämlich eine sinkende Ansteckungsrate unter den besonders gefährdeten Menschen über 80 Jahre. „Das ist wahrscheinlich schon ein Effekt der Impfungen“, sagte Wieler. Spahn betonte, die Inzi­denz in dieser Gruppe sei von fast 200 Fällen pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen auf nun 70 gesunken.

Dies zeige, dass die Strategie zur Priorisierung der älteren Bürger bei den Impfungen aufgehe, sagte der Minister. „Das dauert länger zu Beginn, aber es rettet Leben.“ Um die Impfungen voranzutreiben, sollten sie „zeitnah“ auch in Arztpraxen verabreicht werden können. Einen genaueren Zeitplan nannte er nicht.

Man sei aber „konzeptionell" im Gespräch mit Vertretern der Vertragsärzte, der Apotheken sowie des Großhandels. Ebenso geht der Minister davon aus, dass einige Länder in den kommenden Wochen bei der Zahl der Impfungen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen würden, da immer mehr Impfstoff verfügbar sei.

Wieler hob einen weiteren Punkt hervor, der zu Optimismus berechtige – nämlich eine Studie aus Schott­­land, derzufolge der Impfstoff von Astrazeneca die Quote der Krankenhauseinweisungen von Coro­napatienten um 94 Prozent senke. Dies sei eine „absolut überragende Nachricht, die mich glücklich ge­macht hat“.

Der RKI-Chef warb um Vertrauen für den Astrazeneca-Impfstoff, gegen den es in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gibt – etwa wegen Berichten über Nebenwirkungen wie Kopfweh und Fieber. „Besser ein, zwei Tage Kopfschmerzen, als diese verdammte Krankheit zu kriegen“, sagte Wieler.

Er warb erneut für das Impfen. Impfungen seien das „mächtigste Werkzeug“, das man derzeit in der Hand habe. Auch Schnelltests oder Selbsttests könnten alle anderen Maßnahmen nur ergänzen und nicht ersetzen. „Wir haben damit ein weiteres Werkzeug", sagte Wieler.

Die Debatte um Schnelltests hatte Spahn in den vergangenen Tagen deutliche Kritik einstecken müssen. Er erklärte nun, es gebe inzwischen genügend Tests, die beispielsweise die Bundesländer für die Öff­nung von Schulen und Kitas abrufen könnten. Nun bezeichnete Spahn die Tests als eine „zusätzliche Sicherheit im Alltag", die demnächst folgen könnte. Dabei bleibe die Überprüfung eines positiven Tests mit einem PCR-Test der Goldstandard.

Für praktikable Lösungen beim Testen wirbt die Tübinger Notärztin Lisa Federle seit Monaten. Besonders kurz vor Weihnachten habe sie mit ihrem Team in Tübingen mehr als 20.000 Menschen getestet, von denen 350 Menschen ein positives Ergebnis erhalten hätten, obwohl sie zuvor keine Symptome zeigten.

„Diese Menschen hatten oftmals dann einen Schock. Daher müssen Menschen bei diesen Tests gut be­gleitet und aufgeklärt werden“, so Federle bei der Pressekonferenz in Berlin. In ihre mobile Teststation kommen weiterhin etwa 150 bis 200 Menschen täglich.

bee/dpa

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