Politik

Rufe nach Coronaaufarbeitung werden lauter

  • Montag, 17. März 2025
/picture alliance, SZ Photo, Catherina Hess
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Berlin – Zum fünften Jahrestag des ersten Coronalockdowns in Deutschland mehren sich die Forderungen nach einer umfassenden Aufarbeitung. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), hält eine Aufarbeitung der Coronamaßnahmen für notwendig, warnt aber vor Schuldzuweisungen.

Die Aufarbeitung sollte in Ruhe geschehen, Unversöhnlichkeiten sollten nicht fortgeführt werden, sagte Reinhardt im Deutschlandfunk. Menschen aus der gesamten Gesellschaft sollten einbezogen werden, nicht nur Experten wie während der Pandemie. Eine wie auch immer geartete Kommission sollte für die Aufarbeitung einen längeren Zeitraum arbeiten können.

Analysiert werden sollte, welche Kollateralschäden durch bestimmte Maßnahmen entstanden seien. Reinhardt nannte unter anderem die langen Schulschließungen, die Betreuung alter Menschen oder die Lage in Krankenhäusern. Es gehe darum, sich zu wappnen und „klug zu machen“ für mögliche Pandemien in der Zukunft.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte eine konsequente und umfassende Aufarbeitung der Coronamaßnahmen. „Wir brauchen diese Erkenntnisse, um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, die – und das ist leider nur eine Frage der Zeit – kommen wird“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Außerdem stehe die Glaubwürdigkeit von Politik auf dem Spiel, wenn weiterhin keine Aufarbeitung erfolge, fügte er hinzu – „mit der fatalen Konsequenz, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend das Vertrauen in staatliches Handeln verlieren“. Dies lasse sich auch an den letzten Wahlergebnissen deutlich ablesen.

Gassen verwies auf Medienberichte über angeblich zurückgehaltene Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) zum Ursprung der Pandemie. Vor diesem Hintergrund „wäre eine konsequente Evaluation der damaligen politischen Entscheidungen wichtiger denn je“, betonte er.

Konkret forderte er die Einrichtung einer Enquetekommission: „Dabei soll es nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um die Frage: Was ist gut gelaufen? Welche Maßnahmen haben sich als falsch erwiesen oder wurden vielleicht gar nicht wirklich befolgt?“

Gassen verurteilte politischen Widerstand gegen eine Aufarbeitung. Es sei „schwer erträglich, dass einige derjenigen, denen damals keine Maßnahme hart genug sein konnte, sich in einer Art Geschichtsklitterung immer noch als Retter der Nation gerieren und einer ehrlichen Aufarbeitung im Weg stehen“.

Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz muss der neue Bundestag dringend die Coronamaßnahmen aufarbeiten. „Die größten Fehler wurden in der Altenpflege gemacht“, sagte Vorstand Eugen Brysch gestern der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schließlich hätten die Pflegeheime „zu den Brennpunkten und nicht zu den Brutstätten des Virus“ gezählt.

„Das höchste Opfer des Politikversagens brachten die Pflegebedürftigen“, kritisierte er weiter. Denn die Politik habe alles machen wollen, aber dabei „das Wichtige aus den Augen verloren. Der Grundschutz in der Langzeitpflege fehlte, ein überzeugendes Testregime gab es nie und zusätzliche Hilfskräfte sowie Ausweichquartiere waren nicht mal angedacht.“

Auch die „einrichtungsbezogene Zwangsimpfung“ habe dem Berufsklima geschadet, ohne das Virus zu stoppen, ergänzte Brysch: „Es braucht gesetzliche Grundlagen, um einer möglichen künftigen Pandemie effizient zu begegnen.“

Der erste Coronalockdown in Deutschland wurde vor genau fünf Jahren – am 16. März 2020 – beschlossen und trat am 22. März in Kraft. Er war mit zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben verbunden. Der Lockdown endete mit den ersten Lockerungen nach sieben Wochen am 4. Mai 2020.

kna/dpa

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