SARS-CoV-2: Lehrer könnten „Motor“ der Pandemie in Schulen sein

Berlin – Grundschulkinder treiben das Infektionsgeschehen weniger voran, als ältere Jahrgangsstufen oder Lehrer. Das zeigt sich in den Meldedaten des vergangenen Jahres, die das Robert-Koch-Institut (RKI) analysiert hat. Die Daten sind heute online im Epidemiologischen Bulletin des Instituts erschienen.
Das Institut ging damit der umstrittenen Frage nach, inwieweit Schulen zur Pandemie in Deutschland beitragen. Der Bericht legt nahe, dass Schüler „eher nicht als „Motor“ eine größere Rolle spielen“. Jedoch komme es auch bei ihnen zu Übertragungen und Ausbrüchen, die verhindert werden müssten, schreiben die Autoren.
Lehrkräfte hingegen spielten dabei „eine vielleicht wichtigere Rolle“ als ihre Schüler, heißt es. Sie hatten ein sechsfach höheres relatives Risiko, an einem Schulausbruch beteiligt zu sein, als die sechs- bis zehnjährigen Schüler. Auch sei das Lehrpersonal „bei etwa der Hälfte der Ausbrüche bei den Sechs- bis Zehnjährigen der vermutete Primärfall“, so das RKI. In den beiden älteren Altersgruppen waren sie mutmaßlich für ein Fünftel der Ausbrüche verantwortlich.
Das RKI vermutet die Gründe dafür in außerschulisch erworbenen Infektionen, „gepaart mit einer möglicherweise höheren Infektiösität und Suszeptibilität“ von Erwachsenen im Vergleich zu Kindern. Alle Schulausbrüche stehen laut dem Papier in engem Zusammenhang mit der Gesamtinzidenz in der Bevölkerung.
Ihre Anzahl stieg auch nach Beginn des Lockdown light im November weiter an. Diese seien vor allem auf die jüngeren Altersgruppen zurückzuführen. 90 Prozent aller Ausbrüche an Schulen betragen maximal neun Personen. In fünf Prozent infizierten sich mehr als 15 Menschen. Vereinzelte Ausbrüche umfassten bis zu 55 Fälle.
B.1.1.7 Variante auch bei Schulkindern leichter übertragbar
Dabei hatten unter den Kindern und Jugendlichen die Älteren ein höheres relatives Infektionsrisiko als die Jüngeren. Darauf deute einerseits die „deutlich höhere“ Übertragungsrate in Sekundarschulen im Vergleich zu Grundschulen hin.
Andererseits zeigte sich im Verlauf nach den Sommerferien des Jahres 2020 zuerst ein Anstieg der Inzidenz in den Jahrgängen der 15- bis 20-Jährigen, dann der 11- bis 14-Jährigen und schließlich der 6- bis 10-Jährigen. Insgesamt fanden in allen Altersgruppen Übertragungen des Virus statt, heißt es in dem Bericht.
Schulöffnungen sollten daher „bei den unteren Klassenstufen beginnen, insbesondere, weil dies die geringsten Auswirkungen auf das allgemeine Transmissionsgeschehen und den geringsten Impact auf die Zahl der Krankenhausaufnahmen hat“. Für ältere Schüler würden sich Modelle wie Wechselunterricht und halbe Klassengröße eignen.
Die Autoren merken auch an, dass Schulen bei einer Ausbreitung ansteckenderer Virusvarianten einen größeren Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten könnten. Die leichtere Übertragbarkeit der Variante B.1.1.7, die erstmals in Großbritannien aufgetreten war, scheine auf alle Altersgruppen zuzutreffen, inklusive Kinder und Jugendliche, schreibt das RKI.
Bedenken muss man bei der RKI-Untersuchung, dass vor allem Meldedaten ausgewertet wurden, die auf laborbestätigten Coronafällen beruhen. Die Autoren weisen auf eine Reihe von damit verbundenen Limitationen hin: Insbesondere Grundschüler wiesen relativ häufig keine Symptome auf oder der Beginn der Erkrankung lasse sich schwerer zuordnen, als bei Erwachsenen.
Möglicherweise werde eine „größere Anzahl“ asymptomatischer Infizierter nicht erfasst und die Größe von Ausbrüchen somit unterschätzt. Anhand einer großen österreichischen Studie könne aber angenommen werden, „dass dieser Fehler vermutlich nicht substanziell groß ist“. Das RKI hatte 1.020 Schulausbrüche mit 5.404 übermittelten COVID-19-Fällen in die Analyse einbezogen.
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