Schärferer Lockdown laut RKI eine mögliche Option

Berlin – Strengere Lockdownregelungen seien „eine Option“ zur Eindämmung des derzeitigen SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens, sagte heute der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler. Grundsätzlich gehe er davon aus, dass man noch „wenige Monate“ mit Kontaktbeschränkungen rechnen müsse.
RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann fügte hinzu, es sei eine „Konsensaussage“ aller Modellberechnungen, dass die Maßnahmen weiter verschärft werden müssten.
Laut den Mobilitätsanalysen des Wissenschaftlerteams um Brockmann konnte im aktuellen Lockdownmodus eine Reduktion der Bevölkerungsmobilität – welche die Kontaktzahlen bedingt – um etwa 20 Prozent erreicht werden. Grundsätzlich „ein gutes Zeichen“, betonte Brockmann. In der Phase des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 sei aber eine Reduktion um 40 Prozent erreicht worden.
Auffällig sei dabei vor allem der Vergleich der jeweiligen Sonntage: Hier sank die Mobilität in den vergangenen drei Monaten weniger stark als im Frühjahr 2020. Allerdings sei besonders in den vergangenen Tagen mit Winterwetter ein deutlich höherer Mobilitätswert festgestellt worden, speziell in die Harz-Region sowie nach Garmisch-Patenkirchen.
Hier zeigen die RKI-Auswertungen, dass es sogar mehr Reiseverkehr in die Regionen gab als im Januar 2019. Der Reiseverkehr an Weihnachten sowie an den Tagen danach sei gerade bei längeren Reisen über 100 Kilometer deutlich geringer ausgefallen als im Dezember 2019.
Das RKI hält auch wegen noch unklarer Folgen der Verbreitung von Coronamutationen eine massive Verringerung der Fallzahlen für geboten, auch wenn aufgrund noch ausbaufähiger genetischer Surveillance der Coronavarianten „kein voller Überblick“ in Deutschland vorhanden sei. Zudem rief Wieler dazu auf, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten, um das Risiko einer Einschleppung mutierter Coronavarianten zu vermeiden.
In der aktuellen Lage appellierte der RKI-Präsident nochmals nachdrücklich an die Träger von Pflegeeinrichtungen, diese „noch besser“ zu schützen. Die entsprechenden Konzepte seien bekannt und müssten flächendeckend umgesetzt werden.
„Am Ende dieses Jahres werden wir diese Pandemie kontrolliert haben“, stellte Wieler in Aussicht. Solange gelte es, sich an die Regeln zu Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften zu halten. Dass die Maßnahmen wirkten, sehe man anhand der sehr niedrigen Fallzahlen anderer Atemwegsinfektionen im Vergleich zu den Vorjahren. Wichtig sei aber, dass die Menschen die Maßnahmen auch konsequent umsetzen.
„Bitte treffen Sie sich nur mit wenigen Leuten und wenn, dann immer mit den gleichen Menschen.“ Er betonte ebenfalls, dass es bei den derzeitigen Maßnahmen noch in allen Lebensbereichen viel „Luft nach oben“ gebe. Der jetzige „Lockdown“ erweise sich als nicht so effektiv.
Wieler verwies hierzu auch auf die hohe Arbeitsbelastung auf den Intensivstationen. „Die intensivmedizinische Versorgung in Deutschland war wahrscheinlich noch nie so ausgelastet wie heute.“ Die bestmögliche Versorgung der Erkrankten könne nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden.
Auf den Intensivstationen liege das Durchschnittsalter der COVID-19-Patienten teilweise unter 60 Jahren, da wegen der hohen Infektionszahlen auch immer mehr Jüngere betroffen seien. In zehn Bundesländern liege die Auslastung der Intensivkapazitäten bei 85 Prozent – dies sei ein akuter Engpass. Auch andere Betten würden knapp und Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte arbeiteten bereits am Limit.
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