Politik

Scholz: Dürfen uns beim Klimaschutz „nicht verdrücken“

  • Mittwoch, 20. November 2024
/picture alliance, dts-Agentur
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Rio de Janeiro – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dazu aufgerufen, den Klimaschutz weltweit weiter ener­gisch voranzutreiben. Dies bleibe „unverändert ein ganz zentraler Aufgabenpfad für die G20, aber auch für die Welt insgesamt“, sagte Scholz in Rio de Janeiro zum Abschluss des Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer.

Deshalb müsse man „dranbleiben und nicht aufgeben, diese große Menschheitsherausforderung zu bewältigen“. Deutschland habe in der Vergangenheit schon einen großen Beitrag geleistet, sagte Scholz weiter.

„Das Tempo des Ausbaus von Windkraft und Sonnenenergie in Deutschland ist bemerkenswert. Und wir werden und dürfen da nicht nachlassen.“ Man dürfe sich gerade mit Blick auf die Länder, die unter den Folgen des Klimawandels besonders litten, obwohl sie von den Wohlstandsgewinnen der Globalisierung nicht profitiert hätten, „nicht verdrücken“.

Die Weltgemeinschaft ist auf der UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan allerdings von Ergebnissen oder einem Kompromiss noch weit entfernt. Nach zehn Tagen zäher Verhandlungen prallen in Baku die Interessen noch immer knallhart aufeinander. Bis Freitag soll aber ein Konsens unter den fast 200 Staaten stehen.

Entwicklungsstaaten fordern in Baku, dass die Industrieländer ehrgeiziger die Klimakrise bekämpfen und Billio­nen an Hilfsgeldern auszahlen. Die Europäische Union (EU) tritt dagegen auf die Bremse und betont, man werde erst konkrete Summen anbieten, wenn andere Schlüsselfragen geklärt seien. „Sonst hat man einen Warenkorb mit einem Preisschild, von dem man aber nicht genau weiß, was drin ist“, sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.

Der zweiwöchige Gipfel mit zehntausenden Teilnehmern aus knapp 200 Staaten soll planmäßig am Freitag enden – eine Verlängerung war in den vergangenen Jahren aber üblich. Zentraler Streitpunkt ist, wie stark die Finanzhilfen an Entwicklungs- und Schwellenländer aufgestockt werden. Der Bedarf an externen Hilfen beträgt laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bis 2030 rund eine Billion US-Dollar pro Jahr – und sogar 1,3 Billionen bis 2035. Das wären 10 bis 13 mal mehr, als bisher an Klimahilfe fließt.

Umweltschützer schlagen vor, Geld dafür über höhere Steuern auf Flüge, auf die Ölproduktion oder auf das Vermögen von Superreichen einzutreiben. Letzteres machten sich sogar die G20-Staaten zu eigen: Ohne in die Steuerhoheit der Staaten einzugreifen, werde man sich gemeinsam darum bemühen, sehr vermögende Personen effektiv zu besteuern, heißt es in der Erklärung aus Rio de Janeiro.

Die EU und die Bundesregierung sind grundsätzlich bereit, mehr Geld zu mobilisieren. Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan sagte im Plenum, anstelle der erkrankten Außenministerin Annalena Baerbock: „Deutschland hält seine Versprechen. Wir werden unseren Teil beitragen.“

Zuvor hatte sie es aber mehrmals unrealistisch genannt, dass Industrieländer Billionensummen an Finanzhilfen aus ihren regulären Haushalten stemmen. Die Bundesregierung pocht daher darauf, dass Länder wie China und die reichen Golfstaaten, die viel Geld mit Öl, Gas und Kohle verdient haben, ebenfalls Geld beitragen. Noch gelten sie – und etwa auch Indien – aber nach einer 30 Jahre alten UN-Einstufung als Entwicklungsstaaten– und damit als Empfängerländer.

Entwicklungsländer: So sagte etwa die nigerianische Umweltministerin, Balarabe Abbas Lawal, dem Guardian: „China und Indien können nicht in die gleiche Kategorie eingruppiert werden wie Nigeria und andere afrikani­sche Länder.“ Sie sollten stattdessen selbst Geld beitragen. Auch die Umweltministerin von Kolumbien, Susana Muhamad, sagte dem Blatt, die alten Kategorien seien „obsolet“ und sollten geändert werden. Äußerungen wie diese könnten den Druck auf China erhöhen.

EU befürchtet Rückschritte

Die EU befürchtet, dass ehrgeizige Formulierungen der vergangenen Klimakonferenz in Dubai zum Thema Ein­dämmung von Klimagasen und zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle bei den Verhandlungen in Baku unter die Räder kommen könnten. Dazu sagte EU-Kommissar Hoekstra, der einzige Weg führe nach oben. „Das ist glasklar eine Sache, auf die wir uns in den kommenden Tagen konzentrieren werden.“

Außenministerin Baerbock schrieb dazu auf Twitter: „An alle, die darüber nachdenken, die Uhr zurückzudrehen: Die Lösungen für die Klimakrise sind die größte wirtschaftliche Chance. Weltweit sind die Investitionen in grüne Energien doppelt so hoch wie in fossile Energien.“

Darin ist sie sich mit vielen Vertretern der verletzlichsten Staaten einig, die heute am heftigsten unter den Folgen der Erderhitzung wie häufigeren Dürren, Stürmen und Waldbränden leiden. Ein Vertreter des pazifischen Inselstaats Mikronesien rief im Plenum: „Wir fordern die größten Verschmutzer der Welt auf, Verantwortung zu übernehmen.

Stoppt den Ausbau von Öl, Gas und Kohle!“ Sein Land - wegen des steigenden Meeresspiegels vom Untergang bedroht - sei nicht bereit, „sich einer Krise zu ergeben, die wir nicht verursacht haben“.

Im Fokus steht nun die der Gastgeber Aserbaidschan, der selbst 90 Prozent seiner Exporterlöse mit Öl- und Gas erzielt. Die Präsidentschaft erklärte, sie setze nun auf einen „Geist der Zusammenarbeit und Kompromissbereit­schaft“, um bis Freitag zu einem Ergebnis zu kommen. Am Donnerstagmorgen sollen erstmals Entwürfe für die verschiedenen Beschlüsse vorliegen - einen Tag vor dem geplanten Ende.

dpa

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