Spahn rechtfertigt Überbeschaffung in Coronapandemie

Berlin – Wegen anhaltender Kritik an seinem Handeln bei der Maskenbeschaffung in der Coronapandemie hat sich Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) heute im Bundestag erneut verteidigt. Vorwürfe machte der damalige Bundesgesundheitsminister den Oppositionsparteien. Er erteilte deren Forderung nach einem Untersuchungsausschuss eine Absage.
„Wir haben dieses Land nach bestem Wissen und Gewissen durch die größte Krise seiner bundesrepublikanischen Geschichte geführt und das sicher und mit klarem Kurs“, sagte der CDU-Politiker in der Haushaltsgeneraldebatte des Bundestags. „Darauf können wir stolz sein und dafür bin ich bis heute dankbar.“
Spahn erinnerte an den großen Druck, der damals wegen der Beschaffung geherrscht habe: Die Grünen, die Spahn nun kritisieren, hätten damals von Kriegswirtschaft gesprochen: „Sie wollten, dass wir das Hundertfache des jährlichen Bedarfs an Schutzmaterialien besorgen und beschaffen, koste es, was es wolle.“
Er habe damals häufig mit dem heutigen gesundheitspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen, telefoniert, sagte Spahn. „An eines kann ich mich nicht erinnern: Dass Sie jemals gesagt hätten: Hören Sie auf Masken zu kaufen, weil wir zu viele haben. Das haben Sie sicher nicht gesagt.“ Auch sonst habe dies damals niemand gesagt. Dahmen wandte ein, dass er zur fraglichen Zeit als Arzt in der Patientenversorgung tätig gewesen sei und Spahn daher nicht angerufen habe.
Spahn wird unter anderem vorgeworfen, dass das Bundesgesundheitsministerium auch dann noch weitere Masken bestellt habe, als laut dem Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof (SPD) bereits bekannt gewesen sei, dass bereits enorme Mengen kontrahiert wurden. Seine Erklärung für die Bestellung im April 2020: „Weil wir am Tag der Bestellung exakt 20 Millionen Masken auf Lager hatten. Das reicht nicht mal für eine Woche.“
Zum Bedarf ergänzte er, dass allein für fünf Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen rund vier Milliarden Masken pro Jahr benötigt würden, wenn man von einem täglichen Verbrauch von nur zwei Masken pro Kopf ausgehe.
„Ja, wir haben mehr bestellt, weil wir nicht wussten – trotz aller Verträge – ob und was wirklich kommt“, sagte Spahn. Ständig seien Lieferungen zugesagt gewesen, die nie angekommen seien. Eine Überbeschaffung habe es auch bei Desinfektionsmittel, Beatmungsgeräten und Impfstoffen gegeben.
Weiter Rückhalt von Merz
Trotz der hohen Kosten sei sich die damalige Regierung einig gewesen. „Wenn wir zu wenig gehabt hätten, dann wäre es noch teurer geworden. Volkswirtschaftlich wegen längerer Lockdowns, gesellschaftlich wegen mehr Leid und Schaden.“
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich im Zuge der Regierungsbefragung im Bundestag hinter seinen Parteifreund. „Ich teile die Einschätzung, die Jens Spahn hier heute vorgetragen hat und ich habe keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussagen und seiner Bewertung dieser Vorgänge“, sagte er.
Merz bemängelte, dass Sudhof den damaligen Bundesgesundheitsminister nicht persönlich für ihren Bericht befragte. Dass nicht mit Betroffenen gesprochen werde, verletze nach seiner Auffassung fundamentale Rechte in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Der Kanzler bejahte eine Frage aus der Linke-Fraktion, ob er an einer früher geäußerten Einschätzung einer parteipolitischen Motivation Sudhofs festhalte.
SPD-Generalsekretär schließt U-Ausschuss nicht aus
Eine Aufarbeitung ist für Unionsfraktionschef Spahn wichtig: Dieser Prozess müsse aber auf Lehren für die Zukunft ausgerichtet sein. Daher verwies er erneut auf die geplante Einsetzung einer Enquetekommission zur Aufarbeitung der Pandemie noch in dieser Woche. Dabei handelt es sich nicht um eine direkte Reaktion auf die Debatte über die Maskenbeschaffung.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hält hingegen einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Maskenkäufe des damaligen Gesundheitsministers für denkbar. „Ich schließe das nicht aus“, sagte Klüssendorf dem Focus. „Wir müssen restlos und zügig aufklären, was während der Coronapandemie im Gesundheitsministerium geschehen ist.“
Es müsse geklärt werden, ob Spahns Umgang mit Steuergeldern in der Pandemie vertretbar gewesen sei. „Und es muss auch darum gehen, persönliche Verbindungen zu bestimmten Profiteuren der Maskenkäufe auszuschließen“, so Klüssendorf. Für die Demokratie sei es extrem wichtig, dass vollkommene Transparenz hergestellt werde.
Grüne und Linke betonen schon seit Tagen, dass es Stimmen von Abgeordneten von SPD und Union bräuchte, um das Quorum für die Einsetzung eines solchen Ausschusses zu erreichen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen sie bisher aus.
In Richtung der Opposition sagte Spahn, diese müsse ihn nicht schonen. Er kritisierte aber erneut deren Stil. „Sie haben es medial geschafft, die Beschaffung in der Not zu Deals und Skandal zu framen. Sie können das als Erfolg feiern. Oder Sie können sich fragen, wem das am Ende nutzt.“
AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla sagte, in einem Untersuchungsausschuss könne Spahn alles offenlegen. Er könne es aber auch einfach machen: „Damit wir diesen Untersuchungsausschuss gar nicht bräuchten, treten Sie einfach als Fraktionsvorsitzender zurück.“
Spahn wird in dem Bericht Sudhofs vorgeworfen, durch die Abnahme von Schutzmasken zu hohen Preisen einen Milliardenschaden für Steuerzahler verursacht zu haben. Aus noch schwelenden Rechtsstreitigkeiten zur Maskenbeschaffung drohen dem Bund noch heute Risiken in Milliardenhöhe.
Sudhof war gestern im Haushaltsausschuss des Bundestages befragt worden, das Deutsche Ärzteblatt berichtete. Morgen wird sie im Gesundheitsausschuss erwartet.
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