Politik

Ständige Impfkommission rät zum Statuscheck von Polio-Impfung

  • Donnerstag, 12. Dezember 2024
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Berlin – In den vergangenen Wochen sind an mehreren Standorten in Deutschland schluckimpfstoffabgeleitete Polioviren des Typs 2 in Abwasserproben nachgewiesen worden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) mahnt nun an, den Impfstatus zu checken.

„In der aktuellen Situation ist es wichtig, den Impfstatus von Kindern als besonders vulnerable Gruppe für Polio­myelitis zu überprüfen und versäumte Impfungen schnellstmöglich nachzuholen“, schreibt die STIKO im Epide­miologischen Bulletin 50/2024.

Den Impfstatus von Kindern könnten Erziehungsberechtigten selbst überprüfen oder dies von medizinischem Personal in der Kinderarzt- beziehungsweise Hausarztpraxis erledigen lassen. Feh­lende Impfungen sollten in Absprache mit den Ärzten „baldmöglichst“ nachgeholt werden.

„Leichte Erkältungskrankheiten sind kein Grund, fällige Impfungen zu verschieben“, betonte die STIKO. Unab­hän­gig vom Alter sei auch bei Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften lebten – etwa Geflüchtete und Asylsu­chende –, die vollständige Grundimmunisierung für einen sicheren Schutz besonders wichtig.

Um das Neuauftreten von Polio-Fällen in Deutschland zu verhindern, sei es notwendig, dass möglichst viele Personen rechtzeitig und vollständig gegen Polio geimpft seien, so die STIKO weiter. Ziel sei eine Impfquote von mindestens 95 Prozent mit drei Impfstoffdosen bis zum Ende des ersten Lebensjahres.

„Die aktuellen Impfquoten in Deutschland zeigen, dass diese Grundimmunisierung bei einem erheblichen Teil der Kinder unter 6 Jahren verspätet abgeschlossen wird oder lückenhaft bleibt“, so die STIKO. Dem Bulletin zufolge sind im Alter im Alter von zwölf Monaten nur 21 Prozent der Kinder vollständig geimpft, obwohl die Grundimmu­nisierung bis zu einem Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte.

Versäumte Impfungen würden zwar oftmals nachgeholt, aber bis zum Alter von zwei Jahren erreichten dennoch bundesweit nur 77 Prozent der Kinder eine abgeschlossene Grundimmunisierung, in einzelnen Landkreisen sind es weniger als 60 Prozent.

Zum Schutz vor Poliomyelitis empfiehlt die STIKO die Grundimmunisierung von Säuglingen mit drei Impfstoff­dosen im Alter von zwei, vier und elf Monaten (sogenanntes 2+1-Schema).

Für die Impfung soll ein Sechsfach-Impfstoff (DTaP-IPV-Hib-HepB) verwendet werden, der neben Polio auch vor Tetanus, Diphtherie, Haemophilus influenzae Typ B, Keuchhusten und Hepatitis B schützt. Im Alter von neun bis 16 Jahren wird eine einmalige Auffrischimpfung mit dem altersentsprechenden Impfstoff empfohlen.

Wie die STIKO schreibt, sollte bei der Komplettierung der unvollständigen Grundimmunisierung auf den Mindest­abstand von sechs Monaten zwischen der zweiten und dritten Impfstoffdosis geachtet werden.

Sei die Grundimmunisierung nach dem vor 2020 empfohlenen 3+1-Schema begonnen worden, sollte die Kom­plettierung nach diesem Schema mit einem Mindestabstand von sechs Monaten zwischen der dritten und vierten Impfstoffdosis abgeschlossen werden.

In Abwasserproben zahlreicher Städte, darunter München, Bonn, Köln, Hamburg und Dresden waren aus Schluck­impfungen stammende abgeschwächte Lebendviren entdeckt worden. Es handelt sich nicht um den Wildtypus des Poliovirus.

In Deutschland wird seit 1998 kein Schluckimpfstoff mit einem abgeschwächten, lebenden Virus mehr verwen­det, sondern ein inaktivierter Impfstoff. Daher wird vermutet, dass die im Abwasser entdeckten Polioviren von Menschen stammen, die eine Schluckimpfung erhielten. Auch durch Reisende wurden bereits mehrfach Impfviren nach Deutschland gebracht und im Abwasser nachgewiesen.

Die abgeschwächten Impfviren können sich in seltenen Fällen so verändern, dass sie wieder Krankheiten aus­lösen können und bei Menschen, die nicht oder unzureichend geimpft sind, Lähmungen hervorrufen können.

Die Abwasseruntersuchungen dienen als Frühwarnsystem, um möglichst frühzeitig Hinweise auf eine mögliche Polioviruszirkulation in der Bevölkerung zu erhalten. Seit Mai 2021 wird im Rahmen eines Forschungsprojekts Abwasser an einigen Standorten in Deutschland auf Polioviren untersucht.

may/afp

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