Politik

Steinmeier nennt Maskengeschäfte „Gift für die Demokratie“

  • Freitag, 12. März 2021
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier /picture alliance, Jean MW, Geisler-Fotopress
/picture alliance, Jean MW, Geisler-Fotopress

Frankfurt – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Geschäfte von einzelnen Unions-Politikern mit Coronaschutzmasken als „schäbig“ und „schändlich“ verurteilt.

Er teile die Empörung über die Abge­ordneten, „die sich in der Krise an der Krise persönlich bereichert haben“, sagte er heute beim digitalen Kongress „Zwischen den Zeilen“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Diese Fälle persönlicher Bereicherung verdienten aber nicht nur Empörung – „sie sind Gift für die Demokratie“.

Steinmeier betonte in seiner in diesem Punkt ungewöhnlich scharf formulierten Rede, es gehe um sehr viel mehr als nur individuelles Fehlverhalten. „Es geht nicht nur um das Vertrauen in die Integrität Einzelner – es geht um das Vertrauen in die Integrität des Staates und seiner Institutionen.“

Steinmeier rief „um der Demokratie willen“ alle im Bundestag vertretenen Parteien dazu auf, „nicht nur schnell, sondern vor allem belastbar zu klären, ob weitere Fälle zu befürchten sind“. Das sei dringlicher denn je.

Es sei nicht seine Aufgabe, eine rechtliche Bewertung vorzunehmen. Aber es sei seine Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass es hier nicht nur um rechtliche Fragen gehe, sagte der Bundespräsident. „Wer sein Mandat gezielt ausnutzt, um sich persönlich zu bereichern, der beschädigt nicht nur andere, die redlich ihre demokratische Arbeit tun. Der fügt der Demokratie Schaden zu“, sagte Steinmeier. Er sei sich mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einig: „Wer so handelt, hat schlicht im Bundestag nichts verloren.“

Bislang sind zwei Fälle von Politikern bekannt, die in Maskengeschäfte verstrickt sind. Der frühere CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel hat eingeräumt, dass seine Firma Provisionen von rund 250.000 Euro für das Vermitteln von Kaufverträgen für Coronaschutzmasken erhalten hat. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht zum Einleiten eines Ermittlungsverfahrens gegeben ist.

Gegen den ehemaligen CSU-Politiker Georg Nüßlein wird bereits wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Löbel und Nüßlein haben jeweils ihre Partei verlassen. Löbel hat auch sein Bundestagsmandat niedergelegt. Nüßlein hat dagegen nur angekündigt, im Herbst nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren.

Steinmeier rief heute auch zu mehr Pragmatismus im Kampf gegen die Coronapandemie und mehr Flexi­bilität beim Impfen auf. Zugleich warnte er angesichts aktueller Probleme vor einem „Überbietungswett­be­werb in Schwarzmalerei“. Natürlich müsse es beim Impfen gerecht zugehen und natürlich müssten vulnerable Gruppen zuerst geimpft werden, sagte Steinmeier. „Aber unser Ehrgeiz, alles zur Perfektion zu treiben – gepaart mit der Ängstlichkeit beim Experimentieren – steht uns häufig genug im Weg.“

In Deutschland wolle man es besonders gut machen, sichere jede Maßnahme mit unzähligen Regeln ab, sagte Steinmeier. „Etwas mehr Pragmatismus täte uns gut. Erst recht, wenn in den kommenden Wochen mehr Impfstoff zur Verfügung steht.“ Steinmeier warnte allerdings vor der Illusion, dass sich dadurch sofort mehr Zufriedenheit einstellen werde.

„Mehr Pragmatismus erhöht die Entscheidungsgeschwindigkeit, bedeutet im Zweifel aber auch mehr Unschärfen, unterschiedliche Lösungen für dasselbe Problem und Widersprüche im System.“ Diese könnten von den Noch-Nicht-Geimpften genauso als Ungerechtigkeit empfunden werden wie manche der heute geltenden strikten Regeln. „Es bleibt also anstrengend.“

Der Bundespräsident wies auf die verbreitete Unzufriedenheit mit der Pandemie-Bekämpfung hin, für die es Gründe gebe. Es sei wichtig, Fehler zu korrigieren. „Dazu gehören auch Korrekturen an unserem Selbstbild.“ Es sei kaum mehr als sechs Monate her, „da haben wir – möglicherweise auch andere, aber vor allem wir selbst – uns schon mit Genugtuung als „Pandemieweltmeister“ gesehen.

Es fehlte in Politik und Medien nicht an Hochmut, mit dem man auf verzweifelte Bemühungen anderer Länder herabgeschaut hat.“ Nun sei das glatte Gegenteil zu lesen und zu hören: „rote Laterne“, „Dilettantenstadl“, „Bananenrepublik“, „Staatsversagen“. „Wo eben noch Hochmut war, herrscht heute Kleinmut.“

Es sei jetzt aber nicht die Zeit für Resignation und Selbstmitleid, betonte Steinmeier. „Nicht alles, aber vieles ist gelungen. Wo es hakt, können wir besser und schneller werden. Unsere Stärken sind kein Grund für Hochmut. Unsere Fehler aber auch kein Grund für Kleinmut. Sondern Mut braucht es, guten Mut.“ Deutschland habe jede Krise der vergangenen Jahrzehnte gemeistert, „gerade weil unsere Demokratie sich immer wieder als lernfähig erwiesen hat“. Das gelte es, in der Pandemie neu zu beweisen.

dpa

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