Politik

Umfassende Impfbefugnisse für Apotheken geplant

  • Dienstag, 16. September 2025
/dusanpetkovic1, stock.adobe.com
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Berlin/Düsseldorf – Apotheken sollen deutlich erweiterte Kompetenzen bei der Verabreichung von Schutzimpfungen erhalten. Das sieht ein „Fahrplan für Reformen im Apothekenwesen“ vor, den das Bundesgesundheitsministerium (BMG) heute vorgelegt hat.

Demnach sollen Apotheker künftig nicht mehr nur gegen Grippe und COVID-19 impfen dürfen, sondern alle Impfungen mit Totimpfstoffen anbieten können – also unter anderem auch gegen Tetanus, Diphtherie, Hepatitis A und B, Pneumokokken, Tollwut, Herpes Zoster oder Humane Papillomaviren (HPV). Zudem sollen auch „patientennahe Schnelltests“ in Apotheken ermöglicht werden.

„Bei ihnen können die Bürger ohne Termin Gesundheitsinformationen erhalten, persönlich vor Ort und fachkundig“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf.

Aus der Ärzteschaft kam umgehender Widerspruch gegen diese Pläne. „Wir dürfen an dieser Stelle nicht leichtfertig mit der Patientensicherheit umgehen und einen Etikettenschwindel betreiben“, erklärte Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

Zwar habe der wirtschaftliche Druck auf die Apotheken vor Ort durch den Online-Versandhandel sicherlich zugenommen, räumt Spelmeyer ein. „Aber finanzielle Einbußen dürfen nicht auf dem Rücken der Patienten kompensiert werden. Das Impfen muss durch qualifizierte Praxisteams erfolgen. Das sollte auch die Politik erkennen und andere Entwürfe ad acta legen.“

Auch Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben sich in der Vergangenheit bereits gegen die Ausweitung von Impfbefugnissen für Apotheken ausgesprochen.

Das hohe Qualitätsniveau von Impfleistungen zu senken und das Impfrecht neben Ärzten auch auf andere Professionen aus dem Gesundheitswesen zu übertragen, sei kontraproduktiv, hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärt.

„Impfen ist keine Angelegenheit der Apotheker, sondern eine originär ärztliche Aufgabe“, betonte auch KBV-Chef Andreas Gassen im Rahmen der Einführung von COVID-19-Impfungen während der Coronapandemie. „Es gibt mit Praxen und mobilen Impfteams mehr als genug ärztliche Impfangebote.“

Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Kompetenzerweiterung für Apotheken angedacht ist. Bereits im vergangenen Jahr hatten nicht ressortabgestimmte Änderungsanträge zum Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit diese vorgesehen. Zuvor waren sie Teil des Entwurfs für ein letztlich nicht zustande gekommenes Apothekenreform­gesetz gewesen.

Ärzte sollen pharmazeutische Dienstleistungen verschreiben können

Außerdem soll die Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) ausgebaut werden. Dabei handelt es sich bisher um Maßnahmen wie erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck oder die Betreuung bei Einnahme von Krebsmedikamenten.

Der Vereinbarungsauftrag an die Selbstverwaltung soll nun durch konkrete, gesetzlich vorgegebene pDL ergänzt werden. Apotheken sollen deren Durchführung und Ergebnisse künftig in der elektronischen Patientenakte (ePA) vermerken oder auch direkt der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt mitteilen. Ärzte sollen pDL künftig auch selbst verordnen können.

Die Finanzierung dieser Dienstleistungen soll dabei umgestellt werden: Bisher erfolgt sie aus dem sogenannten pDL-Fonds, der über einen Zuschlag auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gespeist wird. Dieser Fonds soll perspektivisch aufgelöst und durch eine Abrechnung über die Krankenversicherung oder direkt mit der versicherten Person abgelöst werden.

Mehr Kompetenzen sollen Apotheken auch bei der Arzneimittelabgabe erhalten. Bei dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation soll es ihnen möglich gemacht werden, etwa bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten, verschreibungspflichtige Arzneimittel auch ohne ärztliche Verordnung abzugeben.

Darüber hinaus sollen sie bei einer Reihe von grundsätzlich unkomplizierten Erkrankungen wie Harnwegsinfekten eigenverantwortlich bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben können.

„Damit werden Arztpraxen entlastet und es kann eine schnelle Versorgung erfolgen“, heißt es in dem Papier des BMG. Auch diese Abgaben sollen in der ePA dokumentiert werden. Eine weitere Entlastung der Arztpraxen solle durch eine stärkere Rolle von Apotheken in der Prävention erreicht werden.

Durch ihren niedrigschwelligen Zugang seien Apotheken dafür prädestiniert. Sie sollen etwa einfache diagnostische Tests in der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen anbieten können.

Vereinfacht werden soll darüber hinaus der Austausch von Arzneimitteln. Bei der Einlösung von Arzneimittelverordnungen solle Apotheken künftig wirkstoffgleiche Arzneimittel bereits dann abgeben dürfen, wenn das verordnete Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig ist. Diese Regelung soll allerdings zunächst zeitlich befristet und anschließend auf ihre Kostenwirkung für die gesetzliche Krankenversicherung evaluiert werden.

Zuschläge für Landapotheken geplant

Weiterhin will das BMG ländliche Apotheken stärken. So sollen die Verhandlungen der Selbstverwaltung auch gesonderte Zuschläge für Landapotheken enthalten. Diese Förderung soll auf Grundlage von Geodaten und weiteren Parametern in der Praxis umgesetzt werden.

Bis dies erfolgt, soll die Vergütung ländlicher Apotheken über „eine signifikante Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale“ gestärkt werden. Dazu soll der bisherige Zuschlag für pDL in Höhe von 20 Cent pro Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf die Nacht- und Notdienstvergütung umverteilt werden. Damit werde eine annähernde Verdopplung der Pauschale erreicht.

Eine vorläufige Absage erteilte das BMG hingegen den Forderungen nach einer Erhöhung des Apothekenpackungsfixums von derzeit 8,35 Euro. Im Koalitionsvertrag war noch die Rede von einer einmaligen Erhöhung auf 9,50 Euro sowie in „Abhängigkeit vom Versorgungsgrad“ für ländliche Apotheken „in einem Korridor bis zu elf Euro“.

Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), hatte gestern zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags die Forderung nach einer Erhöhung des Fixums noch einmal erneuert und angegeben, diese würde in Summe rund eine Milliarde Euro kosten. Aufgrund der massiv angespannten Finanzlage der Krankenkassen müsse dieses Vorhaben allerdings zurückgestellt werden, schreibt das BMG nun.

Dafür soll sich die Systematik der Apothekenvergütung grundlegend ändern. Künftig sollen demnach die Vertragspartner der Selbstverwaltung den Auftrag erhalten, Anpassungen für die Apothekenvergütung zu verhandeln. Bisher wird diese gemeinsam vom Bundeswirtschafts- und dem Bundesgesundheitsministerium festgelegt.

„Die Apothekerschaft erhält damit die Möglichkeit – wie andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen auch – ihre Vergütung selbst mitzubestimmen“, heißt es in dem BMG-Papier. Rechtlich verbindliche Leitplanken in Form bestimmter Indizes sollen dabei konstruktive Verhandlungen fördern.

„Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums zur vermeintlichen Stärkung der Apotheken sind ein Dammbruch und eine Gefahr für die Patientensicherheit“, erklärten heute die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier. Sie forderten das BMG auf, das Vorhaben zu stoppen.

Insbesondere mit den Plänen, Apotheken die Möglichkeit zu geben, zukünftig verschreibungspflichtige Arzneimittel eigenständig zu verschreiben und abzugeben, überschreite die Politik eine rote Linie. Apothekerinnen und Apotheker würden hier mit Aufgaben betraut, für die es ein Medizinstudium braucht – das sei ein gefährliches Vorhaben.

lau

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