Politik

Union: Alle Abgeordneten unterzeichnen Ehrenerklärung

  • Montag, 15. März 2021
Ralph Brinkhaus (l, CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef. /picture alliance, Kay Nietfeld
Ralph Brinkhaus (l, CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Zum Ablauf der von der Unionsfraktionsführung gesetzten Frist am Freitagabend haben offen­bar alle Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die geforderte Ehrenerklärung unterzeichnet.

Jeder einzelne Abgeordnete hatte schriftlich erklären müssen, keine finanziellen Vorteile aus pandemie­bezogenen Geschäften erhalten zu haben – und alle Abgeordneten seien dieser Aufforderung fristge­recht nachgekommen, schrieben CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in einem Brief an die Unionsparlamentarier.

Damit sei nach den Affären um Maskengeschäfte und Lobbyismus ein Stück weit Klarheit geschaffen worden, schrieben Brinkhaus und Dobrindt: Durch ihre Mitwirkung hätten die Abgeordneten einen Bei­trag dazu geleistet, „damit wir als Union gemeinsam Vertrauen zurückgewinnen können“.

Alle CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten hätten „diese Erklärung unterschrieben und damit klargestellt, dass sie in der Coronapandemie mit aller Kraft gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehmen zu unterstützen, ohne einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen“.

Brinkhaus und Dobrindt reagierten damit auf die Maskenaffäre und weitere Fälle von umstrittenem Lobbyismus in ihrer Fraktion; diese hatten dazu geführt, das in den vergangenen Tagen drei Abgeord­nete die Fraktion verlassen haben.

Am vergangenen Mittwoch hatten Brinkhaus und Dobrindt die Abgeordneten dazu aufgefordert, bis Frei­tag 18 Uhr schriftlich zu erklären, dass sie keine finanziellen Vorteile aus pandemiebezogenen Geschäf­ten gezogen hätten.

Dazu machten sie konkrete Vorgaben: In der Erklärung zu berücksichtigen seien etwaige finan­zielle Vor­teile „aus dem Kauf oder Verkauf von Medizinprodukten wie etwa Schutzausstattung, Test- und Impfbe­darf, aus dem Vermitteln von Kontakten, aus der Weiterleitung von Angeboten oder Anfragen oder aus der Unterstützung oder Beratung Dritter bei solchen Tätigkeiten“.

Die Affären hatten die Union wenige Tage vor den wichtigen Landtagswahlen im Südwesten erschüttert – und eine breite politische Debatte über Lobbytätigkeiten von Abgeordneten ausgelöst. Bundesprä­si­dent Frank-Walter Steinmeier etwa warnte am vergangenen Freitag vor Schaden an der Demokratie. Das Verhalten der betreffenden Abgeordneten sei „schäbig“ und „schändlich“, sagte er.

Ohne sie beim Namen zu nennen, bezog sich Steinmeier offensichtlich auf die Fälle der bisherigen Uni­onsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolaus Löbel (CDU), die sechsstellige Beträge für die Ver­mittlung von Schutzmaskenlieferungen kassiert haben sollen.

„Wer sein Mandat gezielt missbraucht, um sich persönlich zu bereichern, der beschädigt nicht nur ande­re, die redlich ihre demokratische Arbeit tun – der fügt der Demokratie Schaden zu“, betonte er. Solche Menschen hätten „schlicht im Bundestag nichts verloren“.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, alle politisch Verantwortlichen müssten in ihrem Handeln da­rauf achten, „dass sie insgesamt unserem System der parlamentarischen Demokratie und seinen ethi­schen Grundsätzen Genüge tun“. Er verwies zugleich darauf, dass es sich um Vorgänge auf der parla­mentarischen Ebene handele. Die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung sei davon nicht betrof­fen.

Die Unionsfraktionsführung entwickelte derweil einen Zehn-Punkte-Plan, um die Transparenzvor­schrif­ten im Abgeordnetengesetz deutlich zu verschärfen. In den nächsten Tagen werde die Fraktions­führung den Entwurf eines Verhaltenskodexes vorlegen, kündigte Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) am Wo­chenende an. Mit dem Zehn-Punkte-Plan sollen die Transparenzvorschriften im Abgeordneten­gesetz deutlich verschärft werden.

Mehrere CDU-Politiker bekräftigten, sie sähen in der Maskenaffäre kein strukturelles Problem. Conne­mann sagte im Sender RBB, die Unionsfraktion wolle mit dem Entwurf für den Zehn-Punkte-Plan auf die SPD zugehen. „Das ist ein ganz großer Katalog mit auch zum Teil sehr schwerwiegenden Maßnah­­­­men. Aber dafür brauchen wir dann auch die Zustimmung unseres Koalitionspartners.“

In dem Entwurf der „Zehn-Punkte-Transparenzoffensive“ heißt es, die „entgeltliche Tätigkeit als Interes­senvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag“ solle gesetzlich ver­boten und Verstöße mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Aus solchen Tätigkeiten erworbene Ein­nahmen sollen Abgeordnete künftig „an den Bundestag abführen“ müssen.

Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen ab 25 Prozent sollen Abgeordnete künftig anzeigen, ebenso Nebeneinkünfte ab 100.000 Euro. Der Missbrauch des Mandats zu geschäftlichen Zwecken soll gesetz­lich verboten sein und mit einem Ordnungsgeld bestraft werden. Eine Geldstrafe soll es künftig auch bei einer verbotenen Nebentätigkeit geben.

Derweil sehen Rechtswissenschaftler Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Pflicht, die Namen aller Abgeordneten zu nennen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Coronaschutz­masken im Ministerium vorstellig wurden. „Die entgegenstehenden Interessen der Abgeordneten zu der Veröffentlichung mögen politisch verständlich sein, rechtlich fundiert sind sie jedoch nicht“, sagte die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger dem Spiegel.

Auch der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland sagte dem Magazin, er sehe „keinen Grund, warum die Namen nicht veröffentlicht werden sollten“. Spahn hatte eine Liste in Aussicht gestellt, auf der alle Ab­ge­­ordneten im Zusammenhang mit Maskengeschäften stehen sollten – auch jene, die sich keinen Fi­nanz­vorteil verschafft haben. Zuletzt hatte das Ministerium aber angekündigt, vor Veröffentlichung der Liste das Einverständnis von jedem betroffenen Abgeordneten einzuholen.

Das Bundesgesundheitsministerium hat heute die Namen aller Abgeordneten, die an der Bestellung von Schutzausrüstung beteiligt waren, an die Bundestagsverwaltung übergeben. Das Ministerium sei nach einer hausinternen Erhebung inzwischen auf alle Abgeordneten zugegangen, „deren Hinweise dazu bei­getragen haben, dass wir Verträge über die Beschaffung von Schutzausrüstung schließen konnten“, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin.

Eine Liste mit den Namen der Abgeordneten hat das Gesundheitsministerium nach Angaben des Spre­chers mittlerweile beim Bundestag eingereicht. Das Ministerium will demnach bis morgen Abend auf eine Reaktion der Bundestagsverwaltung warten, bevor weitere Informationen veröffentlicht werden. Auch zu einzelnen Beschaffungsvorgängen wollte der Sprecher zuvor keine Angaben machen.

afp

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