Verhältnisprävention: Schlechtes Zeugnis für die Bundesregierung

Berlin – 100 Tage nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung zieht die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) eine ernüchternde Bilanz. Politisch sei bislang zu wenig in Bewegung gekommen, insbesondere bei der dringend benötigten Verhältnisprävention, also dem Aufbau gesundheitsfördernder Lebensumstände.
„Nach 100 Tagen verfestigt sich der Eindruck, dass zwar gern und viel über Prävention gesprochen wird, politisch aber noch immer keine oder die falschen Schlüsse gezogen werden“, sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und DANK-Sprecherin Barbara Bitzer.
Auch in der Gesamtbevölkerung ist die Stimmung gedämpft: Laut einer Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts Ipsos sind nur 23 Prozent der Bundesbürger auf Basis der ersten 100 Amtstage optimistisch, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die richtigen Weichen für die Zukunft stellt.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung (53 Prozent) äußert sich hingegen pessimistisch, etwa jeder Fünfte (21 Prozent) ist unentschieden. Allerdings sehen zwei Drittel (67 Prozent) der Anhänger der Union mit Zuversicht auf die Zukunft unter der Führung von Merz und sind damit deutlich optimistischer als der Rest der Deutschen.
Das Netzwerk DANK fordert für den Bereich der Prävention von der Politik evidenzbasierte Maßnahmen wie eine Steuer auf stark zuckergesüßte Getränke, Werbebeschränkungen für Ungesundes, wenn sich die Produkte an Kinder richten, mehr Bewegung in Kita und Schule und eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung mit dem Nutri-Score.
„Seit Jahren erleben wir eine bunte Projektitis in der Prävention: Es gibt immer neue Modellvorhaben, Appelle an die Freiwilligkeit sowie den Wunsch nach Aufklärung und mehr Bildung. Eine dringend notwendige Kurskorrektur blieb jedoch bisher aus“, so Bitzer.
Sie weist daraufhin, dass die Zahl der Krankheitstage in Deutschland auf Rekordniveau liege. Dabei machten Langzeitfälle von mehr als sechs Wochen, oft auch in Verbindung mit chronischen Erkrankungen, 39 Prozent des gesamten Arbeitsausfallvolumens aus.
„Das bedeutet großes Leid für die Betroffenen und eine enorme Belastung für Betriebe, Krankenkassen und das Gesundheitssystem. Das ist weder Selbstverschulden noch Schicksal, sondern die Folge jahrzehntelanger politischer Untätigkeit bei der Verhältnisprävention“, kritisiert die Präventionsexpertin.
Laut der Ipsos-Umfrage vertrauen in der Gesamtbevölkerung deutlich mehr Männer als Frauen darauf, dass Merz das Land als Bundeskanzler in eine gute Zukunft führen wird. Während fast jeder dritte Mann (29 Prozent) positiv gestimmt ist, sind es bei den Frauen nur 18 Prozent. Entsprechend ist unter den weiblichen Befragten auch der Anteil der Kritiker (55 Prozent) etwas höher als unter den männlichen Befragten (50 Prozent).
Neben dem Geschlecht beeinflussen auch das Einkommen und das Bildungsniveau die Sicht auf die Politik der neuen Bundesregierung. So zweifeln zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten mit niedrigem formalem Bildungsniveau, dass die Koalition die richtigen Voraussetzungen für die Zukunft Deutschlands schafft.
Bei Personen mit mittlerer Bildung sinkt dieser Anteil auf 53 Prozent und bei Personen mit hoher Bildung auf 46 Prozent. Im Umkehrschluss blicken unter den höher Gebildeten mit 32 Prozent deutlich mehr Befragte optimistisch auf die Zukunft als unter denjenigen mit mittlerer (21 Prozent) oder niedriger Bildung (15 Prozent).
Ein ähnlicher Effekt wie bei der Bildung zeigt sich beim Einkommen: Unter Personen mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von unter 2.000 Euro beträgt der Anteil der Optimisten nur 14 Prozent, während es bei Personen mit einem Nettogehalt zwischen 2.000 und 4.000 Euro 25 Prozent sind. Bei denjenigen mit einem Einkommen über 4.000 Euro steigt der Anteil auf 32 Prozent.
Ipsos befrage vom 1. bis 3. August 1.000 Wahlberechtigte zwischen 18 und 75 Jahren, repräsentativ gewichtet nach Alter, Geschlecht, Bildung, Region und Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl.
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