Zehn Jahre AMNOG: Verfahren erfolgreich und lernfähig

Berlin – Mit der Etablierung des strukturierten Verfahrens einer frühen Arzneimittelnutzenbewertung hat sich Deutschland international große Anerkennung verdient. Das betonte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), heute in Berlin. Auch finanziell greife das Verfahren und spare der gesetzlichen Krankenversicherung pro Jahr rund 3,2 Milliarden Euro ein.
Um Weiterentwicklungspotenziale zu identifizieren, stehe man mit allen relevanten Akteuren im Dialog, so Hecken im Rahmen einer virtuellen Fachtagung des G-BA. „Das AMNOG-Verfahren ist nur als lernendes System denkbar, das in Details immer wieder modifiziert und weiterentwickelt wird. Dies stellt alle Beteiligten vor große Aufgaben, ist aber unumgänglich, um die Funktionsfähigkeit aufrecht zu halten.“
Insbesondere habe sich in den vergangenen zehn Jahren gezeigt, dass die Qualität der eingereichten Dossiers kontinuierlich gestiegen sei, erläuterte Hecken. Der AMNOG-Prozess habe auch dazu beigetragen, dass in Studien regelhaft Lebensqualitätsdaten erhoben und unterschiedliche Patientengruppen in den Anwendungsgebieten differenziert betrachtet werden.
Aktuell bestünden nach seiner Einschätzung vor allem zwei Herausforderungen für das AMNOG-Verfahren, die gelöst werden müssen. Zum Einen die Frage nach dem Umgang mit Arzneimitteln, die zunächst nur mit einer „dünnen Datenbasis“ auf den Markt kommen.
Zwischen 2012 und 2019 seien dies im Schnitt immerhin 26 Prozent der neuen Arzneimittel gewesen. Zwar verfüge man für die Wissensgenerierung inzwischen über das Instrument der anwendungsbegleitenden Datenerhebung und der Einsatz des Arzneimittels werde möglichst durch qualitätssichernde Vorgaben flankiert.
Offene Fragen blieben aber bei der Preisfindung. „Ich denke, wir sollten nicht nur bei diesen Arzneimitteln, sondern grundsätzlich über die Länge der Preisfreiheit sprechen. Nach nur sechs Monaten ist durch die datenbasierte Entscheidung des G-BA klar, ob ein neues Arzneimittel einen zusätzlichen Effekt für die Versorgung bringt oder nicht. Trotzdem gilt der selbstgewählte Preis des Herstellers aktuell zwölf Monate lang“, mahnte Hecken.
Sein Vorschlag: Verhandelte Preise sollten ab dem Zeitpunkt der G-BA-Entscheidung gelten, also bereits nach sechs Monaten. Hierzu müsse auch angesichts des im Zusammenhang mit der Coronakrise zu erwartenden „Kassensturzes“ zeitnah eine „ernsthafte Diskussion“ erfolgen.
„Außerdem müssen wir die sogenannte Lücke bei den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, den NUB, im Krankenhaus schließen“, so Hecken. Trotz einer zentralen Zulassung bei Arzneimitteln für neuartige Therapien, sogenannten ATMP, sei ihre Finanzierung und Erstattung im stationären Bereich, anders als im ambulanten Sektor, nicht regelhaft gewährleistet.
Um eine zeitnahe unbürokratische Versorgung ohne Einzelfallanträge der in der Regel schwerkranken Patienten zu ermöglichen, sollten die Rahmenbedingungen für die Erstattung von ATMP gesetzlich klargestellt werden.
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