Zehn Jahre Präventionsgesetz: Bundesärztekammer sieht erheblichen Verbesserungsbedarf

Berlin – Im Bereich der Prävention besteht ein „erheblicher Verbesserungsbedarf“. Dies betonte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), heute anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Präventionsgesetzes.
Das am 25. Juli 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz sollte die Grundlagen dafür schaffen, dass Prävention und Gesundheitsförderung in jedem Lebensalter und in allen Lebensbereichen als gemeinsame Aufgabe der Sozialversicherungsträger und der Akteure in Ländern und Kommunen gestaltet werden.
Darüber hinaus sollten betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz enger verknüpft, die Früherkennungsuntersuchungen fortentwickelt und das Impfwesen gefördert werden.
„Wer die Menschen gesund erhalten will, der muss sich auch um die Verhältnisse kümmern, in denen sie leben. Das Präventionsgesetz von 2015 war das erste Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik, das in der erklärten Absicht geschrieben wurde, gesunde Lebenswelten zu stärken – ein grundsätzlich richtiger Ansatz“, sagte Reinhardt.
Für eine umfassende Gesundheitsförderung, um häufige, behandlungsaufwändige Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Depressionen oder Sucht, effektiv zu verhindern, wäre aus seiner Sicht „eine sehr viel umfassendere Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure, insbesondere auch der Ärzteschaft nötig gewesen“.
Ärztinnen und Ärzte hätten eine Schlüsselfunktion dabei, Menschen gesund zu machen, so der BÄK-Präsident. „Und sie haben eine besondere Verantwortung, auf die Erhaltung gesunder Lebensgrundlagen zu achten. In dem Gesetz fehlen konkret die strukturelle Vernetzung der medizinischen Präventionsangebote mit Maßnahmen in den Lebenswelten der Menschen, mit Vor-Ort-Projekten oder sozialen Hilfen.“
Vor allem in Schulen und in den vorschulischen Einrichtungen bestünden „erhebliche, bisher nicht genutzte Chancen, die Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen zu stärken. „Nur, wenn wir bei den jungen Menschen anfangen, wird Prävention lebenslang funktionieren.“ Das politische Vorhaben, das Gesetz weiterzuentwickeln, sehe er in der Hoffnung, diese Defizite auszugleichen, mit sehr positiver Erwartung, betonte Reinhardt.
Vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) hieß es, das vor zehn Jahren geschaffene Präventionsgesetz gehöre dringend auf den Prüfstand. Eine flächendeckend wirksame „Präventionsstrategie“, die den bestehenden Herausforderungen Rechnung tragen würde und die messbar positive Public-Health-Effekte aufweist, sei derzeit nicht erkennbar.
In einem Positionspapier fordert der PKV-Verband einen „Neustart“. Die Bundesregierung sollte in der neuen Legislaturperiode die bisherigen Erfahrungen mit dem Präventionsgesetz „schonungslos und unter Einbeziehung aller Beteiligten bilanzieren“.
Deutschland brauche einen präventionspolitischen Aufbruch, um den demografisch bedingten Anstieg zumindest zu bremsen und damit auch einen Beitrag zur Finanzierbarkeit des Versorgungssystems zu leisten. Der Bundesgesetzgeber könne in der Prävention zwar nicht „durchregieren“, aber er könne Rahmenbedingungen setzen, von denen die landes- und kommunalpolitischen Akteure profitieren.
Ein neues Präventionsgesetz dürfe sich nicht in institutionellen Fragen verlieren, wie das in der vergangenen Legislaturperiode mit der Gründung des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) der Fall gewesen sei, oder auf Früherkennung und Medikamentierung reduzieren – vielmehr müssten die verschiedenen auf allen Ebenen der Gesellschaft vorhandenen Präventionsansätze funktional integriert werden.
Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) mahnte im Juni eine Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung an. Diese müssten als „zentrale Säulen des Gesundheitssystems“ ausgebaut werden, so die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder.
Der Bund sei aufgefordert, das Präventionsgesetz weiterzuentwickeln – gemeinsam mit den Trägern der Nationalen Präventionskonferenz (NPK). Hierzu werde die GMK konkrete Vorschläge vorlegen, so die Ankündigung.
Auch die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) plädierte für eine Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes. „Noch zu häufig werden vor allem Maßnahmen gefördert, die auf ein gesünderes Verhalten Einzelner abzielen“, sagte SBK-Vorständin Gertrud Demmler. Nötig sei eine Stärkung der langfristigen Verhältnisprävention.
„Das können beispielsweise Konzepte für gesündere Ernährung sein. Ebenso dazu gehört, dass wir beispielsweise mit Krankenhäusern und Rehakliniken über einen Pakt für gesundes Essen reden“, so Demmler. Grundsätzlich sollte das Präventionsgesetz im Sinne des Health-In-All-Policies-Gedanken flexibler gestaltet und Zusammenarbeit auch über das Gesundheitswesen hinaus gefördert werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: