Krähen hacken einander nicht
Ich sitze im Auditorium und lausche den wohl gewägten Worten der Vortragenden. Je komplizierter der Inhalt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass Fragen aus dem Publikum gestellt werden. Auch ich scheue das Risiko, vor versammeltem Kollegium mich in einer Art zu äußern, die meine Unkenntnis entlarvt.
Die meisten Vortragenden werten jedoch allzu schräge Kommentare mit der Floskel auf: „Dies ist eine interessante Fragestellung!“ Solch einen zuvorkommenden kollegialen Umgang finde ich ausgesprochen löblich. Sehr bedenklich ist es aber, wenn der Fachmann kontert: „Die ist eine ÄUSSERST interessante Frage. Die Nächste bitte!“
Aber ich befinde mich unter Kollegen, und deshalb reduziert sich dieses Risiko der kollegialen Blamage; schon der Laie weiß: Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Der Vortrag ist zu Ende, der Redner bittet um Fragen, das Auditorium ist stumm.
Daher greift der Vorsitzende ein und erlöst den Saal aus der Kommentarstarre mit den Worten, dass verschiedene Untersuchungsergebnisse des Vortragenden ihm aus der Literatur nicht geläufig seien.
Der Redner lacht ihn darauf hin aus. Ich bin schockiert, habe aber zwei neue Erkenntnisse gewonnen: 1. Auch Vorsitzende sind vor Spott nicht gefeit. 2. Dass Krähen einander nicht hacken, ist hiermit wissenschaftlich widerlegt.
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