Ärztemangel
Wo liegt der Grund für den deutschen Ärzteschwund? Emigration, Generation Y, Zulassung über Numerus Clausus? Alle diese Theorien tragen durchaus valide Argumente, geben aber nur Bruchteile des eigentlichen Geschehnis wieder.
Der deutsche Ärztemangel ist ein Mythos. Ich möchte sicherlich nicht bestreiten, dass uns eine Vielzahl an Ärzten fehlen, um ein gesundes Gesundheitssystem zu ermöglichen. Dennoch treffen sowohl die Termini „Ärztemangel“, wie „Ärzteschwund“ schlichtweg nicht zu - denn sie implizieren, dass unsere Ärzte ähnlich wie ökonomische Ware in Herstellung und Nutzung quantifiziert werden können.
Ich möchte diesen Artikel und Ihre Aufmerksamkeit nicht damit verschwenden zu schildern, dass der Arztberuf nicht in entferntestem Sinne von einer „Ware" ausgeführt werden kann. Stattdessen möchte ich den wohl oder übel fundamentalsten Grund für den Notstand an Ärzten nennen: Akademisierung.
In Deutschland wurde die Akademisierung des ärztlichen Berufes viel früher als in anderen Ländern begonnen. Bereits im 18. Jahrhundert wurde die Zahnheilkunde und Chirurgie den Badern entzogen und professionalisiert. Vor dieser Akademisierung gab es überall im Lande Heilkräfte, wenn auch martialisch und unaufgeklärt. Durch die Einführung von heute selbstverständlichen Konventionen - medizinische Fakultäten in einer Vorreiterrolle nach Humboldtschem Bildungsideal - wurde irgendwann der Einstieg in den ärztlichen Stand rationiert. Die allermeisten Studien zum heutigen „Ärztemangel“ nennen nicht den Kern des Problems: wir können gar nicht so viele Ärzte ausbilden, wie wir benötigen, selbst wenn man Faktoren wie Auswanderung und Berufswechsel herausrechnet.
Wir durchleben keinen „Ärzte-Mangel“, sondern einen „Ärzte-Defizit“. Denn das rechnerische Problem in dieser Gleichung obliegt keiner Minderung in der Variable „Schicksal“ (Emigration, Berufswechsel, etc.), sondern in der Konstante „Studienplätze".
Um jedoch mehr Studienplätze anzubieten, wäre eine Entakademisierung kein valider Lösungsansatz im 21. Jahrhundert. Stattdessen kann ich der Deutschen Hochschulmedizin in ihrer aktuellen Sorgenstunde nur beipflichten: eine Maschinerie funktioniert nur so gut, wie sie geölt wird.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: