Sich und Andere
In deutschen Krankenhäusern herrscht eine unklare Trennung zwischen privat und gesetzlich versicherten Patienten. Gegenüber liegende Stationen verschiedenartiger Versicherungsstände sind oft Welten auseinander, manchmal treffen diese Welten auch innerhalb eines Patientenzimmers aufeinander. Wo hört die gedankliche Trennung auf, oder: viel interessanter - wo fängt sie an?
Als Studierender im praktischen Jahr kann ich Ihnen verraten, dass der derzeitige Versicherungsstand nicht viel im eigenen Handeln beeinflusst. Sicher - der Chef kommt öfters vorbei oder man hat mehr Platz im Zimmer. Der Kaffee schmeckt aber überall gleich, könnte man behaupten. Die Blutabnahmen gestalten sich in einer sehr ähnlichen Balance von Mühsamkeit, Vorsicht und geschickten Ablenkungsmanövern. Und viel wichtiger – jeder Patient, egal aus welchem sozialen Stand stammend, wird nach allen aktuellen Regeln der Kunst behandelt.
Dies soll keine Rechtfertigung eines Gesundheitssystems sein, welches zweifelsohne genug Schwächen inne hat. Allerdings möchte ich die Frage in den Raum werfen, ob auch alle Ärzte jenseits von Arztpraxen, also jene in Krankenhäusern der Regel- oder Maximalversorgung nicht auch eine ähnlich zweckgetriebene Sichtweise haben?
Jegliche Reform einer Gedankenstruktur, auch wenn ideologisch von verschiedenen Seiten schon lange gefordert oder diskutiert, muss ultimativ auch von exekutiven Kräften implementiert werden. Und ich frage mich, wie eine Reform aussehen müsste, um die Mehrheit deutscher Ärzte in der alltäglichen Versorgung tatsächlich substanziell zu erreichen.
Sie werden schließlich so ausgebildet, dass jeder Patient gleich ist – doch nicht alle Patienten erwarten das von ihrem Arzt. Gesundheit ist nicht nur ein Gut, sondern auch ein Anspruch. Haben alle Menschen den selben Anspruch an sich – oder viel interessanter: an Andere?
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