Not amused: Verwirrende US-Doppelmoral
Wenn es um Freizügigkeit jeglicher Art geht, tritt in den USA eine – na sagen wir einmal – interessante Form der Doppelmoral zu Tage: auf der einen Seite ist oben-ohne an Stränden Tabu, in die Sauna geht man wenn überhaupt nur mit Badeanzug, die heimischen Vorhänge werden ganz schnell zugezogen, sollte sich in der Wohnung jemand befinden, der nicht von Kopf bis Fuß bekleidet ist und die Kirche ist ein von vielen bevorzugter Ort der Buße.
Auf der anderen Seite verfügen die US-Amerikaner über die weltweit größte Pornoindustrie, private „Sünden“ führen zu einer der höchsten Scheidungsraten der Welt und leicht bekleidete Talkmaster scheuen sich nicht, mit ihren Gästen über verschiedene „personal massage devices“ zu diskutieren. Jüngstes Beispiel: Vibratoren.
Ich traute meinen Augen kaum als ich die New York Times aufblätterte und einen zweiseitigen Artikel mit der Überschrift „Vibrators Carry the Conversation“ erspähte. In kompletter Detailverliebtheit schildert darin die Autorin den Einzug besagter Massageinstrumente in die Regale US-amerikanischer Supermärkte und Drogerieketten.
Wo gestern noch völlig einsam und verlassen Sportcremes wie Ben Gay oder Fußsalben wie Dr. Scholl’s lagen, türmen sich – in der Tat – heute Produkte mit den interessanten Namen „a:muse – personal pleasure massager“, „Tri-Phoria“ oder „Alure“.
Dem Center for Sexual Health Promotion an der Indiana University zufolge benutzten bereits 2008 mehr als die Hälfte aller US-Amerikanerinnen Vibratoren. Nach Angaben des leitenden Markenmanagers der Firma Durex (dem Hersteller von Alure) hat die Nachfrage in den letzten sechs Monaten noch einmal angezogen. „Consumers are definitely not shy about this kind of purchase in the retail enviroment“, sagt Alan Cheung gegenüber der NYT.
Es scheint also als seien zumindest gewisse Personen in den USA dabei, die viel beschriebene Freiheit in den Staaten weiter auszubauen. Der neueste Coup: Eine ehemalige Managerin bei Apple, Suki Dunham, entwarf eine Vibratoren-Linie mit dem sensationellen Namen: OhMiBod, ein Produkt, das sich rhythmisch mit iPods, iPads, iPhones und anderen Smartphones synchronisiert. Immerhin, sie stieß bei dem Versuch, das Produkt zu vermarkten, auf einigen Wiederstand.
Und was entgegnete Dunham darauf? Sie erwähnte genau die Doppelmoral, die Amerika so interessant macht. „I can sit with my 10-year-old daughter during prime-time TV and watch a commercial for Viagra, but I can’t advertise our OhMiBod fan page within Facebook“.
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