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Ärztlicher Appell zum Organspendetag: Widerspruchslösung einführen

  • Freitag, 6. Juni 2025
/mpix-foto, stock.adobe.com
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Berlin – Einen Appell an die neue Bundesregierung, die in der letzten Legislaturperiode nicht mehr umgesetzte Neuregelung der Lebendorganspende erneut anzugehen, richtete heute die Bundesärztekammer (BÄK). Zudem plädierten BÄK, Marburger Bund und Intensivmediziner für die Einführung der Widerspruchslösung.

„Wir brauchen einen verantwortungsvollen Weg, den Kreis der Spender zu erweitern“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der BÄK, anlässlich des morgigen Tages der Organspende. Die bereits vorliegenden Ausarbeitungen für eine Änderung des Transplantationsgesetzes böten dafür eine gute Grundlage. „Ein richtiger Ansatz war im betreffenden Gesetzesentwurf die Überkreuzlebendspende“, erklärte Reinhardt.

Bei der Lebendorganspende lassen sich Menschen eine Niere oder auch Teile von Leber oder Lunge entnehmen. Bislang gibt das Transplantationsgesetz vor, dass Spenden Lebender nur für „Personen mit persönlicher Verbundenheit“ möglich sind. Doch sind Familienangehörige nicht immer biologisch kompatibel.

Betroffene Familien, in denen es Spendewillige, aber keine Übereinstimmung gibt, hätten laut Entwurf mit anderen, geeigneten Spender-Empfänger-Paaren tauschen dürfen – auch anonyme Spenden wären möglich gewesen. Zur Verabschiedung des fast fertigen Gesetzes kam es wegen des vorzeitigen Koalitionsendes nicht.

Ebenfalls unvollendet blieb das Gesetzesvorhaben zur Widerspruchslösung, das die Bundesärztekammer unterstützt. Damit wäre grundsätzlich jede Person nach ihrem Tod Organspender oder Organspenderin, es sei denn, er oder sie hätte zu Lebzeiten schriftlich widersprochen oder den Angehörigen einen entgegenstehenden Willen mitgeteilt.

„Eine solche Regelung würde ein starkes Signal der Solidarität senden“, bekräftigte Reinhardt. Organspende sei ein sensibles Thema, und für viele Menschen wohl auch ein Tabu. Die Widerspruchslösung könne die gesellschaftliche Auseinandersetzung damit fördern.

Auch Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, plädierte für die Umsetzung der Widerspruchslösung. „Zwar bekundet eine große Mehrheit der Deutschen ihre Bereitschaft zur Organspende, aber weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat ihre Entscheidung zur Organ- und Gewebespende tatsächlich dokumentiert“, sagte sie.

Ohne die Organspenden aus den anderen Mitgliedsländern des Eurotransplant-Verbundes wären die Wartelisten noch länger, noch mehr Menschen würden sterben, weil sie kein lebensrettendes Organ bekommen würden.

Die Anzahl der Organspenden in Deutschland stagniere seit Jahren auf niedrigem Niveau, ohne dass eine Trendwende erkennbar ist, so Johna. Derzeit erhalte Deutschland überproportional viele Organe aus Ländern, in denen die Widerspruchslösung längst gilt.

Diese habe sich dort bewährt und zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen. Deshalb brauche es hierzulande eine neue Diskussion über die gesetzlichen Grundlagen der Organspende. Eine Willensbildung zur Organspende sei „jedem möglich und zumutbar, ebenso wie ein Widerspruch zu Lebzeiten völlig legitim ist, er sollte dann aber auch erfolgen“.

Mit einer neuen Regelung zur Organspende allein ist es aber laut Johna nicht getan. Um mehr Organspenden zu ermöglichen, müssten transplantationsbeauftragte Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern in dem zeitlichen Umfang freigestellt werden, der nötig ist, um Personal zu schulen, potenzielle Spender frühzeitig zu identifizieren und Angehörigengespräche in Ruhe führen zu können.

Eine Einführung der Widerspruchslösung forderte auch die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensiv und Notfallmedizin (DGIIN) – so könne dem anhaltenden Mangel an Spenderorganen in Deutschland wirksam begegnet werden.

„Mit der Widerspruchslösung schaffen wir die Voraussetzungen, um deutlich mehr Leben zu retten“, betonte Uwe Janssens, Generalsekretär der DGIIN. Man fordere den Bundestag auf, die Widerspruchslösung jetzt erneut auf die Tagesordnung zu setzen und damit ein klares Signal für mehr Gerechtigkeit und Solidarität zu geben.

Im Jahr 2024 spendeten laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) 953 Menschen nach ihrem Tod Organe. Insgesamt wurden inklusive Lebendspenden 2.854 Spenderorgane entnommen. Mehr als doppelt so viele Menschen stehen auf der Warteliste – aktuell etwa 8.100. Die meisten warten auf eine Niere. Pro Jahr sterben Hunderte, weil sich kein passendes Transplantat findet.

dpa/afp/EB

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