Bivalenter RSV-Impfstoff könnte diesen Sommer auch in Europa zugelassen werden

Brüssel/Würzburg – Der RSV-Impfstoffkandidat von Pfizer könnte bereits im Mai von der US-Arzneimittelbehörde (FDA) zugelassen werden. Der Antrag wurde bereits im Dezember gestellt. Das berichtete gestern der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Peter Liese (CDU) bei einer Videokonferenz.
Die bivalente Impfung (RSVpreF oder PF-06928316) wird im späten 2. Trimenon oder im 3. Trimenon durchgeführt, so dass auch Neugeborene profitieren. Das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) hat berichtet.
„Im nächsten Winter könnte so ein Großteil der Säuglinge durch die Impfung der Mütter geschützt werden“, sagte Liese. Er habe sich an die europäische Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gewandt: „Es muss auch unser Anspruch in Europa sein, diesen Impfstoff, so schnell wie möglich zu bekommen – ohne Abstriche der Sicherheit.“ Denkbar wäre eine Zulassung in Europa im Sommer, ist Liese überzeugt.
Neben Pfizer hat auch Moderna einen mRNA-Impfstoffkandidaten gegen RSV bei Erwachsenen über 60 Jahren in Phase 3 erprobt. Das Biotechnologieunternehmen hofft in den USA noch dieses Jahr auf eine Zulassung. Bei Kindern wird mRNA-1345 in einer laufenden Phase-1-Studie in pädiatrischen Bevölkerungsgruppen getestet.
„Hier stehen wir am Beginn der klinischen Entwicklung dieses Impfstoffes für die Pädiatrie“, erläuterte Johannes Liese, der Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie des Uniklinikum Würzburgs. Das Deutsche Ärztblatt hat berichtet.
Geringe Akzeptanz für Impfungen in der Schwangerschaft
Auch er hofft auf eine baldige Zulassung der Impfstoffe. Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Akzeptanz von Impfungen während der Schwangerschaft in Deutschland schlecht sei, wie man am Beispiel Pertussis und Influenza sehen könne: „Die Durchimpfungsraten sind absolut nicht ausreichend, sie liegen bei unter 20 Prozent. In England und den USA ist die Quote mit 80 Prozent deutlich besser“, so der Koordinator der Leitlinie für RSV-Prophylaxe der medizinischen Fachgesellschaften.
Dabei erscheint ein Schutz der Risikogruppen – Säuglinge und Kleinkinder bis zu zwei Jahren – vor dem Hintergrund der RSV-Welle, die Kinderkliniken die vergangenen beiden Winter und auch schon vor der Pandemie an ihr Limit gebracht hat, besonders wichtig. Die letzte präpandemische RSV-Welle begann etwa im November/Dezember 2019 und endete abrupt mit dem Beginn der Pandemie März 2020. „Nach Lockerung der nicht-pharmazeutischen Präventionsmaßnahmen kam es 2021/2022 und auch 2022/2023 dann erneut zu einer sehr starken RSV-Welle, die das präpandemische Level überschritten hat“, ist Johannes Liese überzeugt.
Einen erneuten Anstieg von Virus assoziierten Atemwegserkrankungen hält der Kinderinfektiologe für sehr wahrscheinlich. Denn: „Die Immunitätslücke im Lockdown hat zu einem starken Anwachsen der Population der nicht- immunen Kinder geführt, die jetzt noch zusätzlich zu den Neugeborenen und Säuglingen Ihre Infektion nachholen“.
Die aktuelle Situation an den Kinderkliniken verglich Liese mit der Corona-bedingten Situation in Krankenhäusern vor zwei Jahren. Dies bestätigte auf der Videokonferenz auch Petra Köster-Hoffmeister, Kinderkrankenschwester in der St. Louise Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Paderborn: „Was wir in diesem Jahr erlebt haben, hat das Normale deutlich überschritten.“
Die Masse an Kindern mit RSV-Infektionen, die wir aufgenommen haben und die schwerstkrank waren, sei im November und Dezember 2022 außergewöhnlich hoch gewesen.
Register zu Atemwegsinfektionen im Kindesalter fehlen
Mit Zahlen können man den Verlauf der RSV-Infektionen in den vergangenen Jahren jedoch nicht belegen, da es keine verpflichtenden Register gebe, räumt Johannes Liese ein. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat jedoch zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) im Spätsommer 2021 eine Ad hoc-Atemweginfektionserfassung ins Leben gerufen. Das DÄ hat kürzlich berichtet.
Forderungen an die Bundesregierung, die EU-Kommission und EMA
In einem Schreiben an die Bundesregierung, die EU-Kommission und die EMA Anfang dieser Woche, das dem DÄ vorliegt, schreibt Peter Liese: „Die Belastung durch RS-Virusinfektion ist dagegen dramatisch. Pflegekräfte in der Kinderklinik Paderborn haben mir berichtet, dass die Weihnachtstage so dramatisch verliefen wie noch nie in den letzten Jahrzehnten.“
Liese formuliert in seinem Schreiben fünf Forderungen, die auch Johannes Liese unterstützt: Ein nationales Register zur Erfassung der RS-Infektionen, eine bessere Forschungsförderung, eine substanziell bessere Ausstattung der Kinderkliniken, die saisonale infektionsbedingte Schwankungen in der Belegung berücksichtigt, eine Vernetzung der Kinderkliniken sowie die Entwicklung einer möglichst breiten Impfung.
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