Vermischtes

Demografischer Wandel: Anstrengungen zum Behandeln des Alterns gefordert

  • Donnerstag, 19. Juni 2025
/sergign, stock.adobe.com
/sergign, stock.adobe.com

Berlin – In Anbetracht des demografischen Wandels empfiehlt eine Gruppe mehrere Maßnahmen zum Verlängern der gesunden Lebenszeit von Menschen in Deutschland. Eine Rolle könnten dabei perspektivisch Medikamente gegen das Altern und dessen Folgen spielen, wie aus einem aktuellen Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hervorgeht.

Hauptforderung der Autorinnen und Autoren ist die Einrichtung eines interdisziplinären Forschungskonsortiums, um Datenintegration betreiben zu können, von Tierdaten bis hin zu humanen Daten wie Bioproben und Patientendaten. Auf dieser Grundlage könnten sich neue Ansätze ergeben, um das Altern pharmakologisch zu behandeln, hieß es.

„Ein zentrales Ziel muss es sein, Krankheiten frühzeitig vorzubeugen und nicht erst später eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen behandeln zu müssen“, schreibt das Team um Björn Schumacher vom Institut für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung der Universität zu Köln.

Menschen litten am Lebensende durchschnittlich mehr als zehn Jahre an chronischen Krankheiten, betonte der Wissenschaftler bei der Vorstellung des Papiers. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung hätten gezeigt, dass man intervenieren und die Spanne gesunder Jahre verlängern könne.

Die hierzulande bisher zu stark vernachlässigte Prävention solle in den Vordergrund der Medizin rücken, betonte Co-Autor Oliver Tüscher von der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Halle.

Während die aktuelle Diskussion um gesundes Altwerden häufig unter dem Schlagwort „Longevity“ abläuft und Langlebigkeit anstrebt (das Deutsche Ärzteblatt berichtete), nutzt die Gruppe um Schumacher Begriffe wie Geromedizin (altersbedingten Krankheiten durch die Behandlung des Alterns vorbeugen) und Geroprotektion (Schutz vor altersbedingten Krankheiten).

Als zentral machen die Verfasser die Entwicklung und Etablierung sogenannter geroprotektiver Arzneimittel aus. Daneben müssten Biomarker für das Altern entwickelt werden. Bereits heute könnten „Alternsuhren“, etwa bei Rauchern oder bei Kalorienrestriktion, eine mögliche Beschleunigung beziehungsweise. Verlangsamung des Alterns dokumentieren.

Derartige Marker seien entscheidend, um die Wirksamkeit bestimmter Strategien nachzuweisen, macht das Autorenteam deutlich. „Prävention ist bisher vernachlässigt worden, weil es keine richtigen Beweise dafür gab, wie gut Prävention funktioniert“, sagte Schumacher. Solche Marker müssten regulatorisch als als Endpunkt klinischer Studien akzeptiert werden.

Vieles sei bereits messbar, sagte Mitautorin Andrea Maier (Yong Loo Lin School of Medicine, Republic of Singapore), etwa die Alterung des Herzens, der Muskulatur und des Gehirns. „Es wird dann Indikationen geben für eine Therapie.“ Um Konsequenzen des Alterns gut darstellen zu können, arbeite man auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an möglichen ICD-Codes.

Mehrere Kliniken im Ausland schon tätig

International gehören der Medizinerin zufolge neben Singapur die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Vorreitern. „Hier werden die Forschungserkenntnisse zur Biologie des Alterns bereits in die klinische Praxis umgesetzt.“ In Singapur etwa gebe es seit 2023 eine Ambulanz in einem Krankenhaus, in der das biologische Alter jedes Patienten anhand von biologischen Markern eingeschätzt werde. Daran werde eine präventive Behandlung ausgerichtet.

Das Team dringt zudem darauf, dass Erkenntnisse aus der Forschung besser in Therapien übersetzt werden. Es schlägt vor, gezielte Förderprogramme zu schaffen, um die Umwidmung von Medikamenten oder Neuentwicklungen von Arzneimitteln mit geroprotektiven Eigenschaften zu unterstützen.

Die Forschung in dem Bereich sollte, so die Gruppe weiter, durch eine nationale Biobank und interdisziplinäre klinische Studien gefördert werden. Außerdem brauche es ein eigenes Tierversuchsgesetz.

Geromedizin gehört für die Verfasser bereits in die Ausbildung junger Medizinerinnen und Mediziner. „Wir wollen eine Geromedizin in Deutschland begründen“, betonte Tüscher. Man brauche geschultes ärztliches Fachpersonal, um biologische Altersprozesse zu messen und auch zu behandeln, sagte Maier.

Dringlichkeit durch demografischen Wandel

Die Empfehlungen begründet das Team mit dem demografischen Wandel und dem steigenden Anteil von Menschen mit chronischen Erkrankungen in Deutschland. „In relativ kurzer Zeit“ drohten die Sozialsysteme angesichts der hohen Prävalenz solcher Krankheiten gesprengt zu werden, machte Schumacher mit Blick auf die Babyboomergeneration deutlich, die vor der Rente stehe.

Für den Wissenschaftler braucht es noch ein gesellschaftliches Bewusstsein für Altern als lebenslangen Prozess und dafür, dass man seine Gesundheit ein Leben lang planen und unterstützen müsse. Das Thema gehe auch schon junge und mittelalte Menschen an. Maier betonte, es brauche gesellschaftliche Akzeptanz für diese Präventionsmedizin, es sei nicht nur ein Anti-Aging-Trend.

Im Diskussionspapier wird betont, dass das Altern einer der Hauptrisikofaktoren für Krebs, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei. „Das Altern hat eine noch viel größere Bedeutung als die üblichen Risikofaktoren, die sonst in der öffentlichen Diskussion thematisiert werden, wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Tabakkonsum.“

Lebensstilfaktoren wie gesunde Ernährung sollten natürlich ebenfalls besser implementiert werden, sagte Schumacher. Diese seien allerdings oft schwierig umzusetzen und für manche Menschen gar nicht praktizierbar. Es sei auch wichtig, den Alterungsprozess medikamentös anzugehen.

ggr

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung