Deutlicher Anstieg: Jeder Zehnte mit Atemwegserkrankung

Berlin – Ende Januar stiegen die Fallzahlen akuter respiratorischer Erkrankungen (ARE) laut dem wöchentlichen Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) weiter auf rund 9.500 Fälle pro 100.000 Einwohnende an. Vor allem Influenza-Fälle (A und B) verbreiten sich, bei jungen Kindern aber auch Erkrankungen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV).
Die COVID-19-Infektionszahlen blieben hingegen auf niedrigem Niveau. Fachleute sagten dem Science Media Center, die hohen Infektionszahlen lägen noch im Rahmen normaler saisonaler Schwankungen.
Bei Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren leidet etwas mehr als jedes 6. Kind (rund 17.180 von 100.000) an einer akuten Atemwegserkrankung. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es zum gleichen Zeitraum 13.810 pro 100.000, also etwa jedes 7. Kind. Der Anstieg ist recht steil: Seit dem Jahreswechsel haben sich die Infektionszahlen mehr als verdreifacht.
Auch die Zahl der schwer verlaufenden Fälle (SARI) hat sich laut RKI bei Schulkindern seit dem Jahreswechsel mehr als verdreifacht und liege aktuell deutlich höher als in den Grippewellen der Vorsaisons. Ein Großteil der Kinder (70 %), die ins Krankenhaus kamen, wurden wegen einer Grippe-Diagnose eingewiesen.
„In den Kinderkliniken nehmen die stationären Aufnahmen wegen Atemwegsinfektionen weiter zu, die Auslastungsgrenze ist aber noch nicht erreicht“, sagte Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie, Kinderklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg.
Sollten die RSV-Infektionen in den nächsten Wochen stark zunehmen, könne es aber wieder zu einer Überlastung der Kliniken kommen. „Danach sieht es aktuell aber noch nicht aus.“
Deutlich angestiegen ist auch die Zahl der 5- bis 14-Jährigen, die wegen einer Grippe, Corona oder einer anderen akuten Atemwegserkrankung zum Arzt mussten.
Ende Januar gab es in der Altersgruppe rund 5.150 Arztbesuche pro 100.000 Einwohnenden (Vorwoche: rund 4.050). Vergangenes Jahr waren es im gleichen Zeitraum etwa 3.610 pro 100.000.
Die Inzidenzen der ARI in der Altersgruppe der 5-bis 14-Jährigen sei nicht sehr viel anders als in den Vorjahren, betonte Martin Terhardt, Kinder- und Jugendarzt und ehemaliges Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO). Gleichzeitig sei aber die Inzidenzen bei den 0- bis 4-Jährigen niedriger, was die Relationen verschiebe. „Das könnte ein Effekt der in dieser Saison erstmals – allerdings rumpelig – angelaufenen RSV-Prophylaxe für Säuglinge in ihrer ersten RSV-Saison mit Nirsevimab sein. Über eine mögliche Ausbreitung in andere Altersgruppen kann man nur spekulieren.“
Kombi-Schnelltests für Grippe, RSV und Corona gefragt
In der aktuellen Grippewelle sind Kombischnelltests beliebt. Sie können gleichzeitig auf Influenza, RSV und COVID-19 testen. „Nach solchen Schnelltests herrscht eine rege Nachfrage, wie mir aus mehreren Apotheken bestätigt wurde“, sagte Stefan Schmidt vom Berliner Apotheker-Verein. Viele Apotheken hätten solche Tests vorrätig. Auch in Drogeriemärkten sind sie zu finden.
Zu 100 Prozent zuverlässig sind die Tests Expertinnen und Experten zufolge nicht: „Ein häufig festgestelltes Problem in Studien ist die erhöhte Rate an falsch-negativen Ergebnissen, insbesondere bei niedrigen Viruskonzentrationen“, erklärten die Virologin Nadine Lübke vom Universitätsklinikum Düsseldorf und der Virologe Marcus Panning vom Universitätsklinikum Freiburg.
Bei einer Coronainfektion sei die Viruskonzentration mit Beginn der Symptome heute deutlich niedriger als am Anfang der Pandemie. In den ersten Tagen könnten die Tests daher noch negativ ausfallen.
Insgesamt sei die Empfindlichkeit der Coronanachweise aber akzeptabel, auch für Influenza belege eine erste kleine Studie passable Ergebnisse. „Bei RSV haben erste Studien nur enttäuschend niedrige Sensitivitäten gezeigt“, so die Lübke und Panning, die Vorsitzende der Diagnostikkommission der Deutschen Gesellschaft für Virologie sind.
Anders sei es bei Patienten, die tatsächlich negativ seien: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein negatives Ergebnis erhielten, sei bei allen 3 Erregern gut und zuverlässig. Es gebe aber zahlreiche andere virale und bakterielle Erreger, die eine akute Atemwegssymptomatik hervorrufen könnten. „Auch bei einem negativen Antigen-Test bleibt daher die Möglichkeit einer Infektion bestehen.“
In einer finnischen Studie wurden zwei kommerziell erhältliche Schnelltest und PCR-Analysen (RT-PCR) bei 620 Personen durchgeführt, die aufgrund von Atemwegssymptomen in die Notaufnahme eingeliefert wurden (Microbiol Spectr. 2025 DOI: 10.1128/spectrum.01630-24). Die Analyse zeigte eine unzureichende Sensitivität. Fast 100 Prozent für SARS-CoV-2, 73,53 Prozent für Influenza A und 44,44 Prozent bei RSV, wenn die Zyklusschwellenwerte (Ct) unter 25 lagen.
In der Klinik PCR-Test einsetzen
Aufgrund der hohen Spezifität der Tests könnte ihr Einsatz beispielsweise in Notaufnahmen einen Mehrwert bieten, insbesondere wenn die Prävalenz dieser Infektionen hoch sei, schlussfolgern die Forschenden aus Finnland. Es sollten jedoch PCR-Tests zur Bestätigung negativer Schnelltests verfügbar sein.
Für den Hausgebrauch sind die Tests nach Angaben von Lübke und Panning eine erste Orientierung, wenn Erkältungssymptome bestehen. In Krankenhäusern solle aber, vor allem bei Risikopatientinnen und -patienten, auf PCR-Tests gesetzt werden. Sie lieferten verlässlichere Ergebnisse.
Die STIKO empfiehlt derzeit die Grippeschutzimpfung für Personen ab dem 60. Lebensjahr und für Personen – darunter auch Kinder – mit Risikofaktoren.
„Zu dieser Personengruppe zählen in Deutschland circa 40 Millionen Menschen, von denen sich allerdings maximal 40 Prozent impfen lassen. Der Schutzeffekt würde bei sofortiger Influenza-Nachholimpfung allerdings erst 10 bis 14 Tage nach der Impfung eintreten“, erklärte Terhardt.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat sich zu Beginn der aktuellen Grippesaison Ende vergangenen Jahres für eine großzügigere Impfung ausgesprochen. Sie erwarteten eine schwere Grippewelle, nachdem diese ein halbes Jahr zuvor bereits in Australien zu beobachten war.
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