Vermischtes

Deutlicher Anstieg psychischer Erkrankungen

  • Montag, 27. Februar 2023
/Mivolchan19, stock.adobe.com
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Hannover – Die Auswirkungen von Krisen wie der Coronapandemie und des Krieges in der Ukraine auf die Psyche von Berufstätigen werden offenbar in den Statistiken sichtbar.

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) verzeichnete 2022 nach Angaben von vorgestern ein Plus von 16 Prozent bei Krankschreibungen und Fehltagen wegen seelischer Erkrankungen. Depressionen, chronische Erschöpfung oder Angststörungen treten demnach weiterhin häufiger bei Frauen auf, doch bei Männern stieg die Zahl der Fehltage besonders stark.

Bei weitem am häufigsten waren laut KKH verschiedene Formen von Depressionen. Die häufigste Diagnose seien „depressive Episoden“ gewesen, dicht gefolgt von „depressiven Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“. Auf Platz drei lagen „wiederkehrende Depressionen“. Zudem verursachten chro­nische Erschöpfung, Angststörungen sowie somatoforme Störungen viele Fehltage, erklärte die KKH.

Durchweg bei allen Diagnosen verzeichnete die Krankenkasse den Angaben zufolge einen merklich stärkeren Anstieg bei Männern als bei Frauen. Bei somatoformen Störungen ging die Schere besonders weit auseinan­der: Bei Frauen wurden sechs Prozent mehr Diagnosen verzeichnet, bei Männern 22 Prozent. Insgesamt stieg der Anteil der Männer unter den Betroffenen von 31 auf 34 Prozent, der der Frauen sank hingegen von zuvor 69 auf 66 Prozent.

KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick sieht einen direkten Zusammenhang mit der Coronakrise: Etwa hätten besonders Männer während der Pandemie ihre körperliche Aktivität auf ein Minimum reduziert, die vorher im Vereins- oder Mannschaftssport eingebunden waren. „Der dadurch entstandene Bewegungsmangel und der fehlende soziale Austausch scheinen sich nachhaltig negativ auf die Psyche, also auf Antrieb und Motivation und die allgemeine Stimmungslage ausgewirkt zu haben“, erklärte Judick.

Hinzu kämen die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs, insbesondere die Inflation. „Da sich Männer häufig mehr Sorgen um ihre Perspektiven im Job und die wirtschaftliche Situation ihrer Familie machen als Frauen, leiden sie möglicherweise besonders stark unter Existenzängsten“, erklärte die KKH-Expertin.

Frauen geben hingegen häufiger den Spagat zwischen Job, Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen als Ursache psychischer Belastung an. „Dieses Problem gab es bereits vor Corona, hat sich wäh­rend der Pandemie aber noch verschärft“, erklärte die KKH.

„Nach Jahren der Pandemie, die durch Dauerstress und Erschöpfung geprägt waren, ächzen nun die Menschen bei steigenden Lebensmittel- und Energiekosten“, sagte die Parteichefin der Linken, Janine Wissler. Sie kriti­sier­te vor diesem Hintergrund Forderungen von Arbeitgeber­verbänden, angesichts des Fachkräftemangels etwa die Höchstarbeitszeit und das Rentenalter zu erhöhen.

„Mit solchen Vorstößen werden krankheitsbedingte Fehlzeiten oder seelische Erkrankungen durch Arbeits­überlastung vorprogrammiert“, sagte Wissler. „Die Arbeitgeberverbände agieren einmal mehr als Architekten der Generation Burnout.“

afp

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