Frauengesundheit in allen Bereichen der Medizin verankern

Berlin – Frauengesundheit sollte in allen Bereichen der Medizin eine Rolle spielen und auf eine breitere gesellschaftliche Aufmerksamkeit treffen. Dies wurde bei mehreren Veranstaltungen zur Frauengesundheit, die in der vergangenen Woche in Berlin stattfanden, deutlich.
Dass auch den Allgemeinmedizinern bei dem Thema eine wichtige Rolle zukommt, machte etwa Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands (HÄV), beim Bundeskongress Gender Gesundheit deutlich.
Die Frauengesundheit sei nicht nur im gynäkologischen Bereich verortet, auch wenn Gynäkologinnen und Gynäkologen auf geschlechtersensible Themen und frauenspezifische Erkrankungen sehr wichtig seien, so Buhlinger-Göpfarth. Vielmehr müsse das Thema vorrangig in der Allgemeinmedizin angesiedelt sein.
Hausarztpraxen seien wichtige erste Anlaufstellen für Prävention und Beratungsangebote. Hierbei genderspezifische Kontexte zu betrachten und Patientinnen und Patienten zur unterschiedlichen Wirkung von Medikamenten und Ausprägungen von Erkrankungen beraten zu können, sei eine wesentliche Voraussetzung.
So reagierten Frauen etwa anders auf Betablocker, ASS und NSAR als Männer, das Schmerzempfinden sei bei ihnen ausgeprägter und viele Symptome von Erkrankungen äußerten sich anders.
„Ich bin der Meinung, dass es endlich auch ankommen muss in der Facharztweiterbildung zur Allgemeinmedizin“, betonte Buhlinger-Göpfarth. Gendermedizin müsse verbindlich in die Curricula aufgenommen werden. „Es ist wichtig, dass der Arzt, die Ärztin, da weitergebildet ist und darauf achtet“, sagte sie. Vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband gebe es deshalb auch seit einiger Zeit ein Lernmodul zur geschlechtersensiblen Medizin.
Die Vorstandsvorsitzende verwies in diesem Zusammenhang auch auf Physician Assistants, die im Bereich der gendersensiblen Medizin bereits weitergebildet würden. An dieser Stelle seien die privaten und staatlichen Hochschulen schon weiter als die medizinischen Universitäten, auch wenn sie in der Gestaltung der Curricula freier seien.
„Es muss ein Thema für die Hausärzte werden – wenn sie dann Primärärzte werden, umso mehr“, schloss sich Christiane Wessel, Vorstandvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, an. Eigentlich sei das Thema jedoch für alle Fachrichtungen relevant.
Das Thema müsse deshalb nicht nur in die generelle ärztliche Ausbildung, sondern auch in die Weiterbildung aufgenommen werden. Spezialisiertes Wissen zur geschlechtersensiblen Medizin werde auch im jeweiligen Fachgebiet gebraucht, betonte sie.
„Das hat auch etwas mit Versorgungssicherheit zu tun“, betonte Serdar Yüksel (SPD), Abgeordneter im Bundestag in der Arbeitsgruppe Gesundheit. Gendermedizin sei bislang viel zu wenig Thema in der ärztlichen Ausbildung und müsse darin besser integriert werden.
„Das Problem in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten haben wir auch bei den Pharmazeutinnen und Pharmazeuten“, berichtete Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
Geschlechtersensible Themen seien noch nicht in den Curricula verankert, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen bereits zu einem großen Teil sensibilisiert seien. Denn „Gendermedizin hat auch immer etwas mit Arzneimitteln zu tun“, sagte er.
Deren unterschiedliche Wirkungen bei Männern und Frauen müssten bekannt sein. Apothekern komme in diesem Bereich eine wichtige Aufgabe zu, sie betreuten und berieten Menschen über die gesamte Lebensspanne. Die Beratung von Frauen, etwa zu Kontrazeptiva und der Pille danach, mache einen wichtigen Beratungsanteil in Apotheken aus.
Ute Teichert, Abteilungsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Bundesgesundheitsministerium (BMG), wies darauf hin, dass beim Thema Gendermedizin auch der öffentliche Gesundheitsdienst eine besondere Rolle einnehme.
Das Thema müsse etwa auch in der Versorgung von Menschen mit besonderen Hilfebedarfen wie beispielsweise Obdachlosen, noch mehr mitgedacht werden. „In meiner Wahrnehmung ist das Thema geschlechtersensible Medizin dort noch nicht sehr groß verankert“, sagte sie.
Darüber hinaus ist es Yüksel zufolge auch eine gesellschaftliche Aufgabe, die Frauengesundheit mehr ins Bewusstsein zu rücken.
Ein weiteres Thema war die Verteilung der Gesundheitskompetenz. „Frauen sind oft die Gesundheitsministerinnen in ihrer Familie“, sagte Buhlinger-Göpfarth. „Die Gesundheitskompetenz hängt in vielen Familien an den Frauen und von den Frauen ab“.
Es gebe Studien dazu, dass Frauen im Durchschnitt gesundheitskompetenter als Männer seien, so Buhlinger-Göpfarth. Dieses Wissen sollte der Vorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands zufolge genutzt werden.
Gesundheitskompetenzen besser verteilen
Dass Frauen die Gesundheitskompetenz in den Familien tragen und wüssten, in welcher Schublade der Impfpass der Kinder liegt, wann die nächste Jugenduntersuchung ansteht und dass der Partner demnächst zum Hautkrebsscreening müsste, wurde auch in einer Veranstaltung des AOK-Bundesverbandes diskutiert.
Die Situation sei sowohl für die Männer als auch für die Frauen nachteilig, sagte dazu Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Während sich die Frauen um alles kümmerten und den „Mental Load“ – also die psychische Belastung – trügen, könnten Männer oftmals keine gute Gesundheitskompetenz vorweisen und kümmerten sich weniger um ihre eigene Gesundheit. Deshalb sei es wichtig, die Aufgaben besser zu verteilen.
„Dies würde eine Chance bieten für eine verbesserte Gesundheit der gesamten Gesellschaft“, sagte sie. „Es wird Zeit darüber zu sprechen, wie es uns gemeinsam gelingen kann, dass Prävention und Gesundheitskompetenz künftig weniger weiblich konnotiert ist und diese Kompetenzen solidarisch in der ganzen Familie gestärkt und verteilt werden“, sagte sie. Davon profitierten alle.
Mit der Schulung der Gesundheitskompetenzen und auch dem Bewusstsein für Unterschiede in der Gesundheit von Frauen und Männern müsse man so früh wie möglich beginnen, machten die Teilnehmerinnen der Veranstaltung einstimmig deutlich.
„Wir müssen schon bei den Kindern anfangen, denn Frauen werden schon früh eine Art Bote für Gesundheitsthemen“, sagte Anne Högemann, Vorständin der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung (ÄGGF).
Auch Jungen müssten deshalb schon im jugendlichen Alter mitgenommen werden, sie müssten genauso eine Form der Verantwortung für ihre eigene Gesundheit lernen. „Nach den U-Untersuchungen geht die Schere auf“, sagte sie.
Während Mädchen anschließend zum Gynäkologen gingen und sich um Vorsorgeuntersuchungen kümmerten, bliebe der Gang zum Arzt und das Gesundheitsbewusstsein bei Jungen danach häufig aus oder verliere sich.
Die gesellschaftliche Sichtweise auf das Thema müsse verändert werden und dies funktioniere nicht, wenn nur mit Mädchen gesprochen werde, machte Högemann deutlich.
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