Größte deutsche Langzeit-Bevölkerungsstudie geht in die dritte Runde

Berlin – Die NAKO Gesundheitsstudie, die größte Langzeit-Bevölkerungsstudie in Deutschland, geht in die dritte Erhebungsrunde. Anlässlich des Abschlusses der ersten Nachuntersuchung, die zwischen 2019 und 2020 erfolgte, stellten ausgewählte Forschende ihre Ergebnisse zu chronischen Krankheiten, wie etwa Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vergangene Woche in Berlin vor.
Erste Analysen der dritten Untersuchung hätten bereits begonnen, sagte Henry Völzke, Vorsitzender des NAKO-Forschungsverbunds von der Universitätsmedizin Greifswald. Hier sollen verstärkt Biomarker-, Gen- und Omics-Analysen durchgeführt werden.
In der ersten Basis-Untersuchungsrunde (2014-2019) begann die prospektive epidemiologische Kohortenstudie NAKO mit 205.217 Teilnehmenden. In der zweiten Runde, der ersten Nachuntersuchung, waren es noch 135.000 in 18 Studienzentren.
Für die zweite Nachuntersuchung (dritte Runde), die bis 2028 laufen soll, rechnen die Forschenden noch mit 85.000 Teilnehmenden. Ab einer Viertuntersuchung würde die Studie voraussichtlich ineffizient, da beispielsweise Teilnehmende sterben oder das Interesse über den langen Zeitraum verlieren – das sei der normale Schwund in einer Kohorte, so Völzke.
„Wir generieren Daten für die Wissenschaft, die andere, wie etwa das Robert-Koch-Institut, nutzen können für eine NAKO-basierte Berichterstattung. Aus meiner Sicht braucht es keine weitere Kohorte, wenn wir die Kohorte immer wieder auffrischen und fortfahren lassen“, ist der NAKO-Vorsitzende überzeugt.
Diesen Hinweis richtete er auch an die verschiedenen Bundesministerien für Forschung, Gesundheit oder Landwirtschaft, die ebenfalls alle Bevölkerungsstudien durchführen. Die NAKO würde diese gerne künftig mit ihren Erfahrungen und Strukturen unterstützen.
„Wir haben nicht nur eine große Studienpopulation, sondern auch eine recht große Informationsvielfalt: Sechs Stunden reguläre Untersuchung plus Magnetresonanztomografie (MRT)-Untersuchungen über mindestens eine Studie – das ist unser internationales Alleinstellungsmerkmal“, erklärte Völzke, Abteilungsleiter am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald. Um Veränderungen zu beobachten, folgten nun widerholte Untersuchungen.
Genomsequenzierung bei jedem zehnten NAKO-Teilnehmenden geplant
Genomweite Analysen würden aktuell bereits in München durchgeführt, insgesamt sollen zehn Prozent der NAKO-Teilnehmenden sequenziert werden, sagte Völzke. Ergebnisse erwartet der Vorsitzende des NAKO-Forschungsverbunds für das Jahr 2025.
Auch dem GIANT-Konsortium (Genetic Investigation of Anthropometric Traits) werde man voraussichtlich 2025/2026 beitreten, berichtete Völzke. Hier seien bereits jetzt Daten von mehr einer Millionen Probandinnen und Probanden vereint, um genetische Grundlagen von Körpergewicht, -form und -größe zu analysieren.
Plädoyer für großangelegte Studien
Die britische Perspektive beleuchtete der Epidemiologie- und Public-Health-Medizin-Professor Paul Elliott vom Imperial College in London. Beim NAKO-Symposium in Berlin unterstrich er die Relevanz großangelegter Studien.
Erhebungen mit mehreren Hunderttausend Teilnehmenden erlaubten im Vergleich zu Arbeiten mit wenigen Tausend Probanden beispielsweise klarere Schlussfolgerungen und ermöglichten verschiedene Auswertungen zu Subgruppen.
Für die UK Biobank – nach eigenen Angaben die detaillierteste prospektive Langzeit-Gesundheitsstudie der Welt – waren in den Jahren 2006 bis 2010 eine halbe Million Menschen zwischen 40 und 69 Jahren in England, Schottland und Wales rekrutiert worden. Forschende weltweit nutzen die Daten.
Im Vergleich zur UK Biobank seien die NAKO-Studienteilnehmenden jedoch viel detaillierter klinisch untersucht, beschrieb Maike Sander, Vorstandsvorsitzende des MDC in Berlin das Potenzial der künftigen NAKO-Daten.
Auf britische Daten hatten Forschende während der Coronapandemie für mehrere Studien zu SARS-CoV-2 zurückgreifen können. Für die Zukunft sei es wichtig, nach der Pandemie anhaltende Gesundheitsprobleme zu beobachten, sagte Elliott. Es brauche weiterhin regelmäßige Follow-up-Untersuchungen, etwa zu Kriterien wie dem Gesundheitszustand, dem Wohlbefinden und der Berufstätigkeit.
Großbritannien will fünf Millionen Menschen rekrutieren
In dem Projekt „Our future health“ – nach eigenen Angaben das größte bisherige Gesundheitsforschungsprogramm in Großbritannien – sei das Ziel, Gesundheitsinformationen von fünf Millionen Menschen ab 18 Jahren zu gewinnen, berichtete Elliott.
Im Gegensatz zur NAKO, die ausschließlich mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, wird das britische Fünf-Millionen-Projekt auch von Unternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen gefördert.
In Großbritannien stehe man zunehmend vor der Herausforderung, späte Stadien von chronischen Erkrankungen zu behandeln, schilderte Elliott. Trotz der Fortschritte in der Gesundheitsversorgung wachse die Lebenserwartung nicht mehr weiter an.
Die Hoffnung von „Our future health“ liegt unter anderem darin, in den großen Datenmengen Signale zu erkennen, die eine frühere Erkennung von Krankheiten und in der Folge womöglich auch eine frühere Behandlung erlauben. Das Interesse liegt zudem etwa darauf, mit größerer Sicherheit vorhersagen zu können, welche Gruppen höhere Krankheitsrisiken aufweisen.
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