Vermischtes

Großer Unterstützungsbedarf von Eltern chronisch kranker Kinder

  • Mittwoch, 18. September 2024
/Photographee.eu, stock.adobe.com
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Düsseldorf – Bei der Diagnose von chronischen Erkrankungen gibt es eine mögliche Dunkelziffer, bei Eltern gibt es einen großen Informations- und Unter­stützungsbedarf. Darauf weist der Kindergesundheits­atlas der AOK Rheinland/Hamburg hin.

Die Krankenkasse, die den Kindergesundheitsatlas heute der Presse vorstellte, hat 5.000 Eltern im Rhein­land und in Hamburg zur Gesundheit und zum allgemeinen Wohlbefinden ihrer Kinder und ihrer eigenen Be­las­tung befragt.

Der Atlas fokussiert dabei auf zehn häufige chronische Erkrankungen, unter anderem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Adipositas, Akne, Asthma, Entwicklungsstörungen oder Heuschnupfen.

„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass sich viele Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen, entweder weil bereits eine Erkrankung diagnostiziert wurde oder weil sie eine Erkrankung ihrer Kinder vermuten“, sagte Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, bei der Pressekonferenz heute. Chronische Erkrankungen seien nicht nur für die betroffenen Kinder eine Belastung, auch die Eltern fühlten sich teilweise sehr belastet und mit der Situation überfordert.

„Der Kindergesundheitsatlas lässt Eltern zu Wort kommen und gibt ihnen eine Stimme. Die Studie zeigt einen großen Unterstützungsbedarf der Eltern“, konstatierte die Kinder- und Jugendärztin Anne Neuhausen. „Die meisten befragten Eltern (64 %) sehen Kinderärztinnen und -ärzte als primäre Ansprechpartner – mit den Früherkennungsuntersuchungen haben wir hier ja auch ein gutes Instrument“, sagte die Ärztin bei der AOK Rheinland/Hamburg. Ein Drittel der Eltern wolle aber auch Informationen und Unterstützung ihrer Kranken­kasse.

„Wie müssen die Gesundheitskompetenz in den Familien und besonders bei den Eltern stärken. Sie brauchen einen verständlichen Überblick darüber, welche Vorsorgeuntersuchungen es gibt, wo sie gute, verlässliche In­formationen über Krankheitsbilder finden und welche Verhaltensweisen gesundheitsfördernd sind“, betonte Deutscher.

Grundsätzlich schätzen der Studie zufolge 56 Prozent der befragten Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder als sehr gut ein, jedoch sinkt dieser Wert deutlich, wenn bei den Kindern der Verdacht auf mindestens eine der abgefragten chronischen Erkrankungen besteht oder eine entsprechende Diagnose vorliegt (45 Pro­zent).

Jedes dritte Elternteil, bei dessen Kind eine der abgefragten chronischen Erkrankungen diagnostiziert ist oder vermutet wird, schätzt die Belastung des Kindes (32 Prozent) sowie die eigene Belastung (32 Prozent) durch die Erkrankung des Kindes als sehr stark ein.

Zudem sind demnach Ängste und Sorgen vor der Verschlechterung einer Erkrankung oder der dauerhaften Be­einträchtigung dadurch sehr weit verbreitet. Fast ein Drittel der betroffenen Eltern (29 Prozent) haben Sorge, nicht ausreichend informiert zu sein oder sind nicht sicher, ob sie ihrem Kind bestmöglich helfen können. 16 Prozent der Eltern treibt die Frage um, ob sie eine Mitschuld an der Erkrankung der Kinder tragen.

Für den Kindergesundheitsatlas wurden 20 Diagnosen abgefragt, zehn davon wurden näher betrachtet. Da­runter war ADHS, als eine der häufigsten psychischen Störungen im Kinder- und Jugendalter. Vier Prozent der drei- bis 17-jährigen Kinder aus dem Rheinland und aus Hamburg haben laut den Aussagen der befragten Eltern eine diagnostizierte ADHS.

Bei weiteren sechs Prozent vermuten die Eltern der Befragung zufolge, dass ihr Kind an ADHS erkranken könnte oder bereits erkrankt ist. „Die hohe Zahl der ADHS-Vermutungen und die von den Eltern stark em­pfundene Belastung für sich und ihre Kinder lassen auf einen hohen Informations- und Unterstützungsbedarf schließen“, sagte Sören Schiller, Geschäftsführer der IMK GmbH – Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung, das die Befragung durchführte.

Bei der Betrachtung von starkem Übergewicht/Adipositas wurde für den Kindergesundheitsatlas nicht nur die Einschätzung der Eltern abgefragt, sondern zusätzlich Gewicht, Größe und Alter der Kinder erfasst. Dabei zeigte sich Schiller zufolge, dass mehr Kinder laut Body-Mass-Index (BMI) adipös sind (sieben Prozent) als Diagnosen vor­lie­gen oder vermutet werden. Die Zahl der Diagnosen liege bei zwei Prozent, die der Verdachtsfälle bei drei Prozent. Die genauere Betrachtung dieser Fälle mache deutlich, dass die Dunkelziffer wohl noch größer ist als gedacht.

Im Vergleich mit anderen Erkrankungen ist bei Adipositas der Studie zufolge die Sorgen der Eltern um eine mögliche gesellschaftliche Benachteiligung der Kinder (63 Prozent bei Diagnose/45 Prozent bei Verdacht), dauerhafte Beeinträchtigung (83 Prozent/50 Prozent) und Verschlimmerung der Erkrankung (80 Prozent/53 Prozent) besonders stark ausgeprägt.

Auffällig ist danach auch das hohe Maß an Sorgen vor der eigenen Mitschuld an der Erkrankung des Kindes (59 Prozent bei Diagnose/38 Prozent bei Verdacht) und die Überforderung der Elternhäuser im Umgang mit der Situation (44 Prozent/30 Prozent).

„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Sorgen der Eltern um das Wohlergehen ihrer Kinder gerade beim Thema Adipositas sehr groß sind. Oftmals spielt auch Scham eine Rolle“, sagte Neuhausen.

Mit gesunder Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität, einer adäquaten medizinischen Begleitung und emotionaler Unterstützung ständen den Eltern adipöser Kinder aber eine Reihe wirksamer Mittel zur Verfü­gung, um die Erkrankung und ihre sozialen Folgen in den Griff zu bekommen. „Es ist deshalb wichtig, Familien aufzuklären und ihnen nachhaltige und gangbare Wege aus der Situation aufzuzeigen“, so die Ärztin.

PB

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