Vermischtes

Gynäkologen wegen bewusster Tötung eines kranken Zwillingskindes zu Bewährungsstrafen verurteilt

  • Dienstag, 19. November 2019
/dpa
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Berlin – Das Landgericht Berlin hat eine leitende Oberärztin und einen ehemaligen, in­zwischen pensionierten Chefarzt eines Berliner Klinikums we­gen Totschlags zu Freiheits­strafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie einem Jahr und neun Monaten verurteilt (Az.: 532 Ks 7/16). Die Strafe wurde zur Bewährung ausge­setzt. Das teilte das Landgericht heute mit.

Die 32. Große Strafkammer sah es demnach als erwiesen an, dass die beiden Gynäkolo­gen am 12. Juli 2010 während eines Kaiserschnitts bei einer 27-jährigen Patientin zu­nächst ein erstes gesundes Kind entbunden, deren eineiige Zwillingsschwester dann aber mittels einer Kaliumchloridinjektion bewusst getötet haben.

Dieses zweite Mädchen habe einen schweren Hirnschaden gehabt, welcher bereits im Ver­laufe der Schwangerschaft festgestellt worden war, weshalb sich die Eltern der Kinder für eine sogenannte Spätabtreibung entschieden hatten.

Anstatt aber das Kind bereits während der Schwangerschaft im Mutterleib zu töten, wie es nach Angaben des Landgerichts bei einer entsprechenden Indikation rechtlich zulässig und medizinisch möglich gewe­sen wäre, hätten die Ärzte zunächst den Beginn der Ge­burt abgewartet, um den Eingriff vorzunehmen.

Nach Einsetzen der Eröffnungswehen hätten sie den Mutterleib geöffnet, das gesunde Kind zur Welt gebracht und dann das geschädigte Kind getötet, obwohl es nach Angaben eines Sachverständigen lebensfähig gewesen sei. Dies sei rechtlich als Totschlag im Sinne des § 212 Strafgesetzbuch (StGB) zu werten, sagte der Vorsitzende Richter der 32. Große Strafkammer, Matthias Schertz, in seiner mündlichen Urteilsbegründung.

Die beiden Frauenärzte hatten den Sachverhalt eingeräumt. Sie hatten aber erklärt, da­von ausgegangen zu sein, dass ihr Handeln rechtmäßig gewesen sei, weil das Mädchen sich noch im (geöffneten) Mutterleib befunden habe, als sie die Injektion durchgeführt hätten.

Die Kammer folgte der Ausführung nicht. Den Angeklagten sei es als erfahrenen Gynäko­logen bewusst gewesen, dass sie rechtlich nicht mehr befugt gewesen seien, das kranke Kind während des Kaiserschnitts zu töten, weil die Geburt bereits begonnen hatte, be­fand das Gericht.

Die Ärzte hätten sich von dem Willen der Eltern leiten lassen, dass das kranke Kind nicht zur Welt kommen sollte, obwohl es lebensfähig gewesen sei. Ein derartiges „Aussortie­ren“ von kranken oder behinderten Säuglingen sei nach dem Willen des Gesetzgebers strafrechtlich aber nicht zulässig, betonte Schertz.

Angesichts der Besonderheiten des Falles hat die Strafjammer einen minderschweren Fall angenommen. Die etwas höhere Strafe für den angeklagten ehemaligen Chefarzt be­gründete der Vorsitzende damit, dass es in seiner Macht als Vorgesetzter gelegen hätte, den Eingriff noch im Operationssaal zu verhindern. Anders als die angeklagte leitende Oberärztin habe er während der Hauptverhandlung auch keinerlei Einsicht gezeigt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann innerhalb von einer Woche Revision beim Bun­desgerichtshof eingelegt werden.

may/EB

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