Herausforderungen bei Nutzenbewertung biomarkerbasierter onkologischer Arzneimittel

Berlin – Von den Herausforderungen bei der Nutzenbewertung von biomarkerbasierten onkologischen Arzneimitteln berichtete Uwe Vosgerau, Teamleiter des Bereiches Onkologie bei der Abteilung Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), anlässlich des 35. Deutschen Krebskongresses (DKK).
Da die Nutzenbewertung auf dem zugelassenen – in diesem Fall biomarkerbasierten – Anwendungsgebiet basiere, sei die Betrachtung von Teilpopulationen wichtig.
Probleme sieht Vosgerau in diesem Zusammenhang insbesondere bei fehlenden direkt-vergleichenden Studien. Indirekte Vergleiche seien durch die Biomarkerselektion aus der Gesamtkohorte „immens erschwert“, da unter Umständen auch andere Patientencharakteristika herausselektiert würden.
So habe man am Beispiel der beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) eingesetzten ALK-Inhibitoren gelernt, dass hier vor allem „jüngere, fittere und nichtrauchende“ Patienten selektiert würden – solche Faktoren würden in starken Unterschieden im Vergleich mit dem Gesamtkollektiv münden.
Auch bei der Frage nach der für die Bewertung wichtigen zweckmäßigen Vergleichstherapie stellten sich Fragen, so Vosgerau. Ein zu klärender Punkt sei beispielsweise, ob durch neue Biomarker auch „neue“ Patientengruppen entstünden und ob für solche neuen Subgruppen auch der bisherige therapeutische Standard gelte. Die Diskussionen hierzu würden laufen.
Die dynamisch verlaufende Entwicklung neuer Therapieoptionen habe auch zu Histologie-unabhängigen Zulassungen onkologischer Therapeutika geführt. So würden TRK-Inhibitoren die Behandlung aller solider Tumore mit neurotropher Tyrosinrezeptorkinase (NTRK)-Genfusion ermöglichen.
Vosgerau verwies darauf, das einarmige Studien hier „keinen guten Ausgangspunkt“ bieten, um eine Nutzenbewertung durchzuführen. Unter genau solchen Voraussetzungen habe man beispielsweise für Larotrectinib sowie Entrectinib einen Zusatznutzen nicht belegen können.
Notwendig sei aus seiner Sicht eine „robuste Evidenz“ zu einzelnen Tumorentitäten. Dies gelte insbesondere für „Leitindikationen“ mit hoher Versorgungsrelevanz – welche etwa aufgrund hoher Prävalenz oder mangelnden therapeutischen Alternativoptionen vorliegen könne.
Eine Möglichkeit könnten direkt vergleichende Basketstudien (klinische Studien, die den Einfluss eines Arzneimittels auf eine Mutation erforscht, die bei verschiedenen Krebsformen auftritt) bieten. Diese könnten die Untersuchung von mehreren unterschiedlichen Tumorentitäten ermöglichen.
Aufgrund des ungewöhnlichen Ansatzes des Studiendesigns sei viel Beratungsbedarf, etwa durch Zulassungsbehörden, nötig. Methodisch gut aufgesetzt könne das Konzept dann aber sinnvoller sein als einzelne Tumorentitäten mit klassischen Phase-2-Studien zu untersuchen, da „mehr Aussagekraft“ möglich sei.
In seinen Ausführungen thematisierte Vosgerau auch die anwendungsbegleitende Datenerhebung. Die bisherige Erfahrungen wiesen auf einen „umfangreichen Verfahrensablauf“ mit nicht unaufwändigen Abstimmungsprozessen und entsprechend langen Vorlaufzeiten hin. Optimalerweise sollte eine Datenerhebung mit Markteintritt beginnen – dies sei „bislang noch nicht geglückt“, bleibe aber das Ziel.
Thomas Sudhop von der für Informationstechnik und Klinische Prüfung verantwortliche Abteilung 10 am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verwies darauf, dass man in den nächsten zwei bis drei Jahren eine große Zahl an Zulassungsanträgen für onkologische Arzneimittel erwarte.
Als Zulassungsbehörde bewege man sich stets im Spannungsfeld zwischen Patientenwunsch auf möglichst schnelle Zulassung und Frage der „Güte der Zulassungsentscheidung“. Auch deshalb sei man auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, abseits vom Endpunkt Gesamtüberleben, die Zulassungsentscheidungen zu unterstützen. Insofern überzeugende Konzepte vorgelegt würden, „bewege“ man sich als Behörde.
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