Vermischtes

Lernfortschritt hat während der Coronapandemie abgenommen

  • Dienstag, 31. Januar 2023
/picture alliance, Monika Skolimowska
/picture alliance, Monika Skolimowska

Oxford – Während der Coronapandemie haben Schüler 35 Prozent des normalen Lernzu­wach­ses pro Schuljahr verloren. Das zeigt eine Metaanalyse in Nature Human Behaviour, in der Forschende 42 Studien aus 15 Län­dern, darunter vor allem Studien aus Großbritannien und den USA, aber auch 4 Studien aus Deutschland ausgewertet haben (2023; DOI: 10.1038/s41562-022-01506-4).

Die gepoolte Effektgröße über alle Studien hin­weg betrug Cohen’s d = -0,14 (95-Prozent-Konfi­denzintervall [KI] -0,17 bis -0,10). Unter normalen Umständen verbessern die Schülerinnen und Schü­ler ihre Leistun­gen um etwa 0,4 Standardab­weichungen pro Schul­jahr.

Daraus leiteten die Forschenenden ei­nen Gesamt­effekt von etwa 35 Prozent (0,14/0,4) ab. Im Durch­­schnitt habe sich der Lernfortschritt von Kindern im Schulalter während der Pandemie folglich erheblich verlangsamt.

Am stärksten war das Lerndefizit bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status, zwischen den Klassenstufen ließen sich jedoch keine signifikanten Un­terschiede erkennen.

In Mathematik war das Defizit stärker als beim Lesen, was die Autoren damit erklären, dass Eltern und Kinder von zu Hause aus eher gemeinsam Lesen, als Mathematikaufgaben bearbeiten. Zudem zeigten einige der Stu­dien, dass das Lerndefizit sich nicht im Laufe der Pandemie verringerte, sondern zwischen Mai 2020 und Mai 2022 überdauerte.

In Ländern mit mittlerem Durchschnittseinkommen wie Brasilien und Mexiko war das Lerndefizit größer als in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen wie den USA und Großbritannien. Länder mit niedrigem Durch­schnittseinkommen konnten nicht einbezogen werden, dieser Vergleich fehlt.

Unabhängige Forschende sprechen von einer immensen Relevanz des Lerndefizites für das Bildungssystem, da hierdurch die geforderten Standards der Lehrpläne schwer erreichbar geworden seien. Klaus Zierer, Ordi­narius für Schulpädagogik von der Universität Augsburg geht davon aus, dass sich eine „Generation Corona“ bildet, die besonders stark unter der Pandemie gelitten hat.

„Das trifft insbesondere die Jüngsten im System mit einem bildungsfernen Hintergrund aus wirtschaftlich schwachen Ländern“, erläutert Zierer und spricht von einer Bildungsungerechtigkeit im Land und auch welt­weit, die immer deutlicher wird. „Es sollte alles unternommen werden, um die Lerndefizite aufzuholen. Leider haben viele Länder die ersten Möglichkeiten – Stichwort ,Sommerschulen‘ – verpennt oder absolut unref­lek­tiert implementiert.“

Auch Benjamin Fauth, Leiter der Abteilung Empirische Bildungsforschung, Institut für Bildungsanalysen Ba­den-Württemberg (IBBW), hält die in der Metaanalyse beobachteten Lernrückstände für bedeutsam. „Jene, die wir in Studien aus Deutschland gefunden haben, beispielsweise in Hamburg und in Baden-Württemberg, fal­len etwas geringer aus, zeigen aber von der Tendenz her in dieselbe Richtung.“

Auch in den Befunden, die jüngst im Rahmen des IQB-Bildungstrends vorgestellt wurden, spielen pandemie­bedingte Lernrückstände sicher eine Rolle.

Fauth sieht aber auch einen positiven Trend: Während der Pandemie habe es an vielen Schulen riesige Fort­schritte gegeben – nicht nur im Bereich Digitalisierung, sondern auch bei der Frage, wie wir digitale Tools pädagogisch nutzen können, damit sie das Lernen unterstützen. „Perspektivisch sind das auch die Ansätze, die uns helfen werden, mit den Folgen der Pandemie an den Schulen umzugehen.“

gie

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