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Liposuktion im Stadium III: Keine Regelleistung mehr, Kritik an Befristung ohne Evidenz

  • Dienstag, 24. Juni 2025
/hin255, stock.adobe.com
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Berlin – Die Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem im Stadium Ill in die Anlage I der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ist nichtig. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) jetzt entschieden (Az.: B 1 KR 10/23 R).

Die Anlage sei zwar grundsätzlich für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich, schreibt das Gericht zu einem Urteil des 1. Senats in einem Terminbericht zur Verhandlung aus der vergangenen Woche. Der medizinische Nutzen der Liposuktion bei Lipödem sei aber „bis heute nicht hinreichend belegt“. Das gelte „auch für Lipödeme im Stadium III“.

Mit Erlass der Erprobungsrichtlinie hat der G-BA nach Angaben des Gerichts „lediglich das Potenzial der Methode anerkannt“. Eine wissenschaftliche Evidenz dafür, die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III unter Vorwegnahme der Ergebnisse aus der Erprobungsstudie „befristet zum Gegenstand der Regelversorgung zu machen, sei nicht ersichtlich“, urteilt das BSG im Ergebnis.

Das Urteil des 1. Senats des BSG dürfte grundsätzliche Bedeutung über den Fall hinaus haben. Denn der G-BA hatte damals auf Druck des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) einen Weg gesucht, um die Liposuktion im Stadium III ohne wissenschaftliche Evidenz zur Kassenleistung zu erheben. Der G-BA hatte dann im Jahr 2019 letztlich eine befristete Regelung dafür geschaffen. Zuletzt hatte das Gremium diese Frist im September 2024 bis Ende 2025 verlängert.

Die Politik hatte es damals gefreut. Spahn hatte sich im Januar 2019 sogar in einer Mitteilung damit gebrüstet. „Nach massivem Druck durch Gesundheitsminister Jens Spahn will der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlung von Frauen mit krankhaften Fettverteilungsstörungen (Liposuktion) jetzt doch auf Krankenkassenkosten gestatten“, schrieb das Ministerium damals.

Das Bundessozialgericht stellt nun mit dem Urteil quasi fest, dass die Aufnahme der Liposuktion als Leistung der Regelversorgung ohne einen vorliegenden Evidenznachweis rechtswidrig gewesen ist. Der G-BA ist demnach verpflichtet, sich an wissenschaftliche Evidenz zu halten.

Für die Politik dürfte das bedeuten, dass ein solcher Druck auf das Gremium künftig schwerer möglich wird. Im Kern lässt sich das Urteil als Schutzschirm des G-BA vor einem politischen Zugriff werten. Es bedeutet letztlich, dass sich der G-BA an die vorgegebenen Regeln halten muss und diese nicht einfach umgehen kann. Will der Gesetzgeber dies nicht, muss er selbst über eine gesetzliche Regelung aktiv werden.

Gleichwohl hat der G-BA weiterhin Möglichkeiten, die Evidenz selbst festzustellen, etwa im Rahmen einer Erprobungsstudie oder auch bei der Anerkennung des Potenzials einer Methode. In diesen Fällen ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung möglich.

Zur Frage des Nutzens der Liposuktion hatte der G-BA selbst die Erprobungsstudie „LIPLEG“ angeschoben. Derzeit läuft die Auswertung von ersten Daten. Damit soll die Frage beantwortet werden, welchen Nutzen die Methode im Vergleich zu einer alleinigen konservativen, symptomorientierten Behandlung hat.

Wie der G-BA auf Nachfrage mitteilte, könnten die Beratungen darüber, ob die Liposuktion eine reguläre Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden könne, in Kürze abgeschlossen werden. Einen genauen Termin nannte das Gremium nicht. Wesentliche Basis dafür wird aus Sicht des G-BA der neu gewonnene Wissensstand sein.

„Die Gremien haben im Blick, ob und inwieweit das Urteil bei der geplanten Beschlussfassung berücksichtigt werden muss“, sagte eine Sprecherin des G-BA. Sie betonte zudem, dass – trotz des BSG-Urteils – eine stationäre Leistungserbringung unter Berücksichtigung der Vorgaben der Qualitätsrichtlinie Liposuktion aufgrund der durch den G-BA erfolgten Potenzialfeststellung weiterhin als sogenannte „Potenzialleistung“ möglich sei.

Im jeweiligen Einzelfall müssten die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein. Im vorliegenden Fall des BSG erfüllte die Klägerin diese Qualitätsvorgaben nicht. Aus diesem Grund scheiterte ihre Klage.

may

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