Medienkonsum: „Die Dosis macht das Gift“

Berlin – Wer in der Pandemie täglich viel private Zeit im Internet verbringt, fühlt sich häufiger ungesund. Das ist eines der Ergebnisse einer Umfrage vom Oktober 2020, die die Techniker Krankenkasse (TK) heute in Hamburg vorgestellt hat.
Demnach gab jede fünfte befragte Person an (21 Prozent), einen weniger guten oder sogar schlechten allgemeinen Gesundheitszustand zu haben, wenn sie täglich fünf Stunden oder länger digitale Medien nutzte. Unter Befragten, die zwei bis fünf Stunden pro Tag privat im Internet verbringen, waren es nur halb so viele (neun Prozent).
Die Vielsurfer, mit mindestens fünf Stunden Internetnutzung am Tag, litten deutlich häufiger unter Nervosität (38 Prozent) oder zeigten Zeichen einer Depression (40 Prozent). Im Vergleich waren die Zahlen unter den Wenignutzern, mit unter einer Stunde Medienkonsum pro Tag, deutlich niedriger: Hier gaben 19 Prozent an, nervös zu sein. Als depressiv schätzten sich 16 Prozent ein.
Muskelverspannungen, wie zum Beispiel Nacken- oder Rückenschmerzen, waren für fast zwei Drittel aller Befragten ein Problem (62 Prozent). Unter Videospielern waren die muskuloskelettalen Beschwerden jedoch etwas verbreiteter: Von ihnen gaben 77 Prozent an, häufiger oder sogar dauerhaft unter solchen Schmerzen zu leiden.
Auffällig sei zudem, „dass viele Menschen parallel mit zwei oder mehr Bildschirmgeräten online sind, dem sogenannten „Second Screen“. Mehr als vier von zehn Befragten machen dies mindestens einmal täglich“, sagte der Vorstandsvorsitzende der TK, Jens Baas. Unter Jugendlichen sei das Phänomen bereits bekannt, es scheine sich aber auch bei Erwachsenen zu etablieren, so Baas.
Doch eine tägliche Nutzung mehrerer Bildschirme korrelierte in den Umfrageergebnissen ebenfalls mit einer Zunahme an Erschöpfungsgefühlen (um 13 Prozentpunkte erhöht), Müdigkeit (sechs Prozentpunkte) und Konzentrationsstörungen (fünf Prozentpunkte).
Unfreiwillig länger online
Darüber hinaus zeigt die Umfrage, dass der allgemeine Medienkonsum unter Erwachsenen in der Pandemie stark zugenommen hat. Rund 30 Prozent der Befragten schätzten ihre private Nutzung zum Zeitpunkt der Umfrage höher ein, als vor der Pandemie. Im beruflichen Kontext traf fast jede zweite Person diese Aussage (46 Prozent).
Drei Viertel der Umfrageteilnehmer (76 Prozent) gab an, in ihrer Freizeit mehrmals täglich oder fast immer online zu sein. Unter Männern war dies häufiger (83 Prozent) als bei Frauen (69 Prozent). Mehr als die Hälfte der Internetnutzer (60 Prozent) verbringe dabei täglich zwischen einer und fünf Stunden online.
Gleichzeitig gaben 87 Prozent der befragten Internetnutzer an, Sie versuchten bereits, möglichst wenig Zeit im Internet zu verbringen. Mehr als die Hälfte von ihnen (58 Prozent) gab an, länger online zu sein, als geplant und jeder Zweite (50 Prozent) fühlt sich durch das Internet von anderen Dingen abgelenkt.
Dieser Effekt sei gewollt, sagte dazu Ines Sura, Professorin für Medienpädagogik und Medienbildung an der Universität Greifswald: „Jede Aktion auf dem Smartphone erreicht unser Belohnungssystem im Gehirn und verleitet somit dazu, länger online zu sein als geplant.“
Diesem Mechanismus könnten bewusst gewählte Rituale entgegengesetzt werden. Beispielsweise durch feste Zeiten zum Abruf von E-Mails, smartphonefreie Mahlzeiten oder ein medienfreies Schlafzimmer, so die Medienexpertin.
In den Ergebnissen zeige sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Internetkonsum und körperlichen und vor allem psychischen Problemen, fasste der promovierte Mediziner Baas zusammen. Er fürchte daher einen „sekundären Coronaeffekt durch Folgeerkrankungen, die mit der eigentlichen Pandemie nichts zu tun haben“. „Die Dosis macht das Gift“, erklärte er, „da ist jeder Einzelne gefragt, sein Digitalverhalten kritisch zu hinterfragen und auch für regelmäßige Pausen und Offlinezeiten zu sorgen“.
Die Umfrage wurden vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der TK durchgeführt. Dabei wurden 1.250 deutschsprachige Erwachsene zu ihren Gewohnheiten im Umgang mit dem Internet im Privatleben und am Arbeitsplatz befragt. Davon waren 1.000 Befragte repräsentativ für den Querschnitt der volljährigen Bevölkerung in Deutschland. Gewichtet wurde die Personenstichprobe nach Geschlecht, Alter, Bildung und Region.
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