Medizintechnik-Branche hofft auf eigene Strategie der Bundesregierung

Berlin – Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erwartet von der Bundesregierung einen eigenen Strategieprozess parallel zur Pharmastrategie. Die Stimmung in der Branche hat sich unterdessen, auch dank politischer und regulatorischer Maßnahmen, verbessert.
Der BVMed begrüßt die politische Aufwertung durch die neue Bundesregierung. Neben Maschinenbau, Automobilindustrie, Chemie und Pharmaindustrie ist die Medizintechnik im aktuellen Koalitionsvertrag erstmals als Leitindustrie in Deutschland aufgeführt, die es besonders zu fördern gelte.
Das mache den Unternehmen Hoffnung, erklärte BVMed-Geschäftsführer Marc-Pierre Möll heute in Berlin. Die Bundesregierung müsse dem nun durch eine eigene Strategie Rechnung tragen. „Wir sind nicht Pharma. Wir haben eigenständige Herausforderungen und Themen“, pflichtete ihm der Vorstandsvorsitzende, Mark Jalaß, bei.
Es brauche deshalb im Rahmen einer Medtech-Strategie einen strukturierten Dialogprozess zwischen Bundesregierung und Branche. Ziel müsse dabei vor allem eine moderne und effiziente Bürokratie sein. Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die zwei Drittel der Verbandsmitglieder ausmachten, würden in der aktuellen Bürokratie ersticken.
Auch bei der Krankenhausreform müsse die Medizintechnik besser als bisher einbezogen werden. Zwar sei es gut, dass diese explizit als Fördertatbestand im Krankenhaustransformationsfonds aufgeführt sei.
„Aus unserer Sicht reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen und angedachten Änderungen aber nicht aus, die Ziele der Reform umzusetzen“, sagte Jalaß. Die Krankenhausplanung müsse bedarfsgerecht gestaltet werden, wozu es kontinuierliche Bedarfsprognosen brauche. „Wir müssen Anreize für medizinischen Fortschritt und Qualitätsverbesserungen setzen“, unterstrich er. „Wir müssen Planungssicherheit für Medtech-Anbieter herstellen.“
Ein weiteres Thema, bei dem der Verband auf Schützenhilfe aus der Politik hofft, ist die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR), die mit ihrem gestiegenen Berichts- und (Re-)Zertifizierungspflichten seit Jahren für Verunsicherung in der Branche gesorgt hat.
In dieses Thema sei jedoch im zurückliegenden Jahr Bewegung gekommen. „Wir sind auf einem guten Weg, es werden wichtige Dinge angestoßen“, sagte Jalaß. „Die Signale aus Europa sind da. Worte hören wir viele, jetzt wollen wir auch Taten sehen.“
Besonders der bei Amtsantritt umstrittene Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi aus Ungarn setze sich für eine Lockerung der Pflichten und Fristen ein. Vor allem die Rezertifizierung von Medizinprodukten führt laut Verband zu einem unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand für die Unternehmen sowie zu einem Rückstau aus Mangel an Benannten Stellen, die diese durchführen.
Der Verband stehe in engem Austausch mit Bundesregierung und EU-Kommission und habe beiden 80 Seiten mit konkreten Entbürokratisierungsmaßahmen vorgelegt. „Jetzt ist die Zeit für konkrete Schritte der Kommission“, sagte Möll. Dem Vernehmen nach wolle Várhelyi noch in diesem Jahr Vorschläge zur Verschlankung der MDR vorlegen.
Entsprechend ist auch die Stimmung in der Branche besser als im Vorjahr. In der jährlichen Umfrage des Verbands unter seinen Mitgliedern gaben die 116 befragten Unternehmen im Schnitt an, im kommenden Jahr mit einem Umsatzanstieg von 3,1 Prozent im In- und 5,5 Prozent weltweit zu rechnen. Im Vorjahr hatten die Werte noch bei 1,2 und 3,1 Prozent gelegen.
Allerdings würden diese Umsatzzuwächse durch deutlich steigende Kosten für Bürokratie, Zertifizierungen, Personal, Logistik und Transport sowie Energie stark gedämpft. Nur zwölf Prozent der Unternehmen würden deshalb auch mit Gewinnsteigerungen rechnen.
Zudem würden sich die einzelnen Bereiche der Branche sehr unterschiedlich entwickeln. So hatten zwar 70 Prozent der Unternehmen angegeben, mit einem Umsatzanstieg zu rechnen. Allerdings gingen auch 20 Prozent von einem Umsatzrückgang aus, elf Prozent sogar von einem Rückgang im zweistelligen Bereich.
Wichtigste Gründe für eine angespannte Geschäftslage seien die stark gestiegenen Kosten am Standort, überbordende Bürokratie, wachsender Fachkräftemangel, Preisdruck durch Einkaufsgemeinschaften und Klinikketten sowie Zölle und andere Handelshemmnisse.
Insbesondere die Gefahr von US-Zöllen führe zu zusätzlicher Unsicherheit, schließlich seien die USA der zweitwichtigste Exportmarkt der Branche. Der Verband sei dazu in intensivem Austausch mit Bundesregierung und US-Botschaft, erklärte Möll. Die US-Regierung prüfe zwar, ob auch Medizinprodukte von Zöllen betroffen sein sollen, derzeit sehe es aber nicht danach aus.
Mehr politische Aufmerksamkeit wünscht sich der Verband beim Thema Resilienz und Verteidigungsfähigkeit. Die Medizintechnikbranche sei bisher noch nicht in die Notfallplanungen von Bundesregierung und Bundeswehr eingebunden, das müsse sich ändern. „Wenn wir nicht selbst jedes Mal anklopfen, werden wir vergessen“, sagte Möll.
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