Vermischtes

Neandertaler-Gene erhöhen Risiko für schweren Coronaverlauf

  • Mittwoch, 30. September 2020
/picture-alliance, Kurt Finstermeier
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Leipzig – Menschen, die heute in ihren Genen Erbgut des Neandertalers aufweisen, ha­ben ein höheres Risiko für schwere Verläufen von COVID-19. Das zeigen Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (MPI EVA), die in Nature (2020, DOI: 10.1038/s41586-020-2818-3) veröffentlicht wurde.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die diese Genvariante geerbt haben, bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 künstlich beatmet werden müss­­en, ist etwa dreimal höher“, sagte Hugo Zeberg vom MPI EVA.

Die Variante ist ein weiterer Risikofaktor zusätzlich zu vielen schon länger bekannten wie Alter und manchen Vorerkrankungen. Eine Studie im Sommer hatte ergeben, dass eine Gruppe von Genen auf Chromosom 3 mit einem höheren Risiko dafür verbunden sein kann, im Falle von COVID-19 im Krankenhaus behandelt und künstlich beatmet werden zu müssen. Die Gefahr für eine schwere Form der Erkrankung sei bei Menschen mit dieser Variante bis zu dreimal höher, hieß es damals.

Zeberg und sein MPI-Kollege Svante Pääbo haben den Gencluster nun analysiert und ge­zielt mit dem Erbgut von Neandertalern und Denisova-Urmenschen verglichen.

Die DNA-Sequenz in der für ein höheres Risiko sorgenden Variante des Clusters sei den DNA-Sequenzen eines etwa 50.000 Jahre alten Neandertalers aus Kroatien sehr ähnlich, erläutern sie in Nature.

„Es hat sich herausgestellt, dass moderne Menschen diese Genvariante von den Neander­talern geerbt haben, als sie sich vor etwa 60.000 Jahren miteinander vermischten“, erklär­te Zeberg, der auch am Karolinska-Institut in Stockholm forscht.

Es gebe erhebliche Unterschiede hinsichtlich der regionalen Verbreitung dieser geneti­schen Variante, erläutert das Forscherduo weiter. Besonders häufig findet sie sich dem­nach bei Menschen in Südasien, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung sie im Genom trage, in Bangladesch sogar 63 Prozent.

In Europa habe etwa einer von sechs Menschen (rund 16 Prozent) sie geerbt – in Afrika und Ostasien komme die Variante hingegen so gut wie gar nicht vor.

Eine Erklärung dafür, warum Menschen mit der Genvariante ein höheres Risiko haben, gebe es bisher nicht. „Es ist erschreckend, dass das genetische Erbe der Neandertaler während der aktuellen Pandemie so tragische Auswirkungen hat“, sagte Pääbo, Direktor am MPI EVA. „Warum das so ist, muss jetzt so schnell wie möglich erforscht werden.“

dpa

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