Pharmaindustrie befürchtet Milliardenbelastung durch neue Abwasserrichtlinie

Berlin – Scharfe Kritik am Bundesumweltamt und an Abwasserbetrieben in Deutschland übt der Verband Pharma Deutschland. Hintergrund ist die Umsetzung der neuen europäischen Kommunalabwasserrichtlinie. Sie ist Anfang des Jahres in Kraft getreten und sieht vor, Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe auszustatten, die Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser entfernen soll.
Streitpunkt ist nun die Finanzierung der neuen Reinigungsstufen – Abwasserbetriebe und das Umweltbundesamt wollen – dem Pharmaverband zufolge –, 52 bereits fertiggestellte Projekte rückwirkend durch die Pharma- und Kosmetikindustrie bezahlen lassen.
„Es ist zu befürchten, dass es hier um einen Betrag von möglicherweise einer Milliarde Euro geht, der die Branche und das gesamte Gesundheitssystem massiv belasten würde“, sagte Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland.
Der Verband hatte im November 2024 die Baukosten von 25 zwischen 2018 und 2024 geplanten sowie bereits gebauten Klärwerksprojekten aufgelistet. Die Baukosten dieser 25 Anlagen belaufen sich danach auf fast eine halbe Milliarde Euro. Basierend auf diesen Zahlen kommt der Verband bei 52 nachträglich zu finanzierenden Projekten auf Gesamtkosten von möglicherweise einer Milliarde Euro.
Pharma Deutschland kritisiert außerdem, dass nicht nur Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika für Mikroverunreinigungen im Abwasser zur Verantwortung zu ziehen seien, sondern alle Verursacher von Spurenstoffen. Wichtig seien außerdem transparente, europaweite Umsetzungsvorgaben. „Wir fordern deshalb eine vollständige Überarbeitung der Richtlinie auf europäischer Ebene“, erklärte Brakmann.
Die EU-Kommunalabwasser-Richtlinie wurde im Oktober 2022 von der Europäischen Kommission überarbeitet und im November 2024 vom Rat der Europäischen Union final bestätigt. Die neue Richtlinie führt eine vierte Klärstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen ein und verpflichtet erstmalig bestimmte Branchen zur Kostenübernahme gemäß dem Verursacherprinzip.
Nun müssen die Mitgliedstaaten die Vorgaben in nationales Recht umsetzen. Die Hersteller von Humanpharmazeutika und Kosmetika werden dabei verpflichtet, mindestens 80 Prozent der Kosten zum Aufbau der vierten Klärstufe zu tragen.
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