Selbstverpflichtung der Industrie zur an Kinder gerichtete Werbung funktioniert zum Teil

Bonn – Einige Lebensmittel- und Getränkekonzerne haben auf europäischer Ebene eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, an Kinder gerichtete Werbung für stark fett-, zucker- und salzhaltige Lebensmittel einzuschränken.
Eine Analyse von Wissenschaftlern der Universität Bonn zeigt nun: Nach dieser Vereinbarung hat in Deutschland die Zahl entsprechender an Kinder gerichteter Werbeclips abgenommen. Doch die Unternehmen nutzen zum Teil Lücken aus. Die Ergebnisse der Analyse sind im Fachjournal Food Policy erschienen (doi 10.1016/j.foodpol.2020.101833).
„Im Rahmen der Selbstverpflichtung konnte jedes Lebensmittelunternehmen die Kriterien zunächst weitgehend selbst festlegen, ab welchem Fett-, Zucker- und Salz-Gehalt keine Werbung mehr für Kinder veröffentlicht werden sollte“, erläuterte die Erstautorin, Stefanie Landwehr. Später seien diese Kriterien europaweit vereinheitlicht worden – aber nach wie vor würden sie von Unternehmensseite und nicht von einer unabhängigen wissenschaftlichen Stelle festgelegt.
Im Rahmen der Untersuchung zeichneten die Autoren 88 Stunden Werbung mit 3.047 Werbespots für Getränke- und Lebensmittelprodukte auf. Anhand eines Bewertungskatalogs untersuchten sie, ob sich der jeweilige Werbeclip an Kinder (697 Spots) oder Erwachsene richtete.
Darüber hinaus recherchierten die Forscher für jedes Lebensmittelprodukt, das kindgerecht beworben wurde, die Nährwerte und ordneten ein, ob es mit den Werberichtlinien der Selbstverpflichtung in Einklang stand oder nicht.
Auf den ersten Blick zeigt die Selbstverpflichtung der Lebensmittel- und Getränkeindustrie erhebliche Wirkung. „Im Oktober 2014 und damit kurz vor Inkrafttreten der Harmonisierung entsprachen fast alle Werbespots im Kinderfernsehen den selbst auferlegten Kriterien“, berichtet Landwehr. Außerdem seien die an Kinder gerichteten Werbespots insgesamt stark zurückgegangen.
„Die freiwillige Selbstverpflichtung der Konzerne ist ein Schritt in die richtige Richtung“, bewertet Monika Hartmann vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn die Ergebnisse. Allerdings seien die selbstgewählten Kriterien der Unternehmen zur Regulierung der Werbung nicht stringent genug.
Darüber hinaus nutzen nach den Erkenntnissen der Forscher auch Lebensmittel- und Getränkekonzerne, die die freiwillige Selbstverpflichtung unterschrieben haben, Lücken aus. Zu den Sendezeiten des Erwachsenenfernsehens werben sie laut der Studie weiterhin in erheblichem Maße für problematische Produkte in kindgerechter Weise, obwohl auch hier Kinder oft mit vor dem Fernseher sitzen, kritisieren die Wissenschaftler.
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