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Traumatisierte Geflüchtete: Bessere Versorgung in Hamburg mittels Koordination, Supervision und Fortbildung

  • Mittwoch, 16. September 2020
/picture alliance, Harald Tittel
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Hamburg – Psychisch kranke Geflüchtete werden in der Hansestadt Hamburg durch die Einrichtung von Centra, dem Koordinierenden Zentrum für traumatisierte Geflüchtete, künftig besser versorgt.

„Es geht uns in erster Linie darum, die Regelversorgung zu unterstützen mittels Vernetzung, Supervision und Fortbildung“, sagt Ingo Schäfer, Leiter von Centra, anlässlich des heutigen Fachtags „Versorgung traumatisierter Geflüchteter in Hamburg“ des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) dem Deutschen Ärzteblatt.

„Viele Geflüchtete leiden aufgrund ihrer Erlebnisse in ihrem Heimatland oder während ihrer Flucht nach Deutschland unter posttraumatischen Belastungsstörungen, depres­siven Störungen oder Angststörungen. Wir eröffnen ihnen einen niederschwelligen Zugang zu psychologischer Hilfe, indem wir sie beraten, ambulant erstbehandeln und sie zu qualifizierten Angeboten der Regelversorgung weitervermitteln“, sagt der Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE.

Rund 50 Anfragen im Monat erreichten die Centra-Mitarbeiter seit der Eröffnung im Sommer. Das neue Koordinierende Zentrum liegt in der Nähe vom Hamburger Haupt­bahnhof, im Heidenkampsweg, um gemeindenah niederschwellig erreichbar zu sein.

Normalerweise wendeten sich Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften, Betreuer oder Begleiter mit Anfragen an das Zentrum, berichtet Schäfer, seltener Geflüchtete selbst. Dann werde in bis zu 5 Sitzungen abgeklärt, welche Belastungen und Beschwerden vorliegen und auch welche sozialarbeiterischen Bedarfe.

„Wir geben dann eine Empfehlung für eine Anlaufstelle der Regelversorgung, ambulant oder stationär. Auch im Centra werden Behandlungen angeboten: Krisenintervention, Psychotherapie und spezielle Traumatherapien.

Hürden für Psychotherapeuten in der Versorgung von Geflüchteten abbbauen

Neben der Koordination und Vernetzung bietet Centra auch Supervision für Psycho­therapeutinnen und Psychotherapeuten an. „Wir wissen, dass es Hürden gibt, Geflüchtete in Behandlung zu nehmen: die fehlende Kostenübernahme für Dolmetscher, aber auch Unsicherheit in interkulturellen und traumaspezifischen Themen“, sagt Schäfer.

Die Supervision solle ermutigen und unterstützen und somit die Hemmschwelle senken, psychisch kranke Geflüchtete in Therapie zu nehmen. Centra könne Psychotherapeuten auch unterstützen hinsichtlich der sozialarbeiterischen Bedarfe der Geflüchteten.

Werde ein qualifizierter Sprachmittler/Dolmetscher für die Therapie benötigt, könne Centra den Kontakt vermitteln und greift dafür auch auf den Sprachmittler-Pool zurück, den der Verein SEGEMI, seelische Gesundheit, Migration und Flucht e.V. organisiert. Aktuell bieten darüber 90 Sprachmittler ihre Leistungen an.

Diese werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert, was Ärzte und Psychotherapeuten seit Jahren kritisieren. Auch UKE-Oberarzt Schäfer fordert: „Diese Haltung der Krankenkassen muss sich dringend ändern.“

Centra bietet Inhouse-Schulungen kostenfrei und bedarfsadaptiert

Darüber hinaus bietet das koordinierende Zentrum auch Fortbildungen für Ärzte und Psychotherapeuten in traumaspezifischer Psychotherapie und interkultureller Kompetenz. Über Centra können Kliniken, Jobcenter oder Flüchtlingsunterkünfte auch Inhouse-Schulungen kostenfrei und bedarfsadaptiert anfragen.

Die Experten des Koordinierenden Zentrums arbeiten dabei zusammen mit ihrem Kooperationspartner SEGEMI. Auch fallbezogene Unterstützung wird angeboten.

Außerdem haben die UKE-Experten eine Datenbank aufgebaut, in der perspektivisch alle in der Beratung und Behandlung von Geflüchteten tätigen Hilfseinrichtungen in Hamburg aufgelistet sein sollen. Die Datenbank soll kontinuierlich erweitert werden.

Das Angebot von Centra, das von der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Stadt Hamburg finanziert wird, richtet sich an Geflüchtete über 18 Jahre. Traumatisierte Kinder und Jugendliche mit Fluchtgeschichte erhalten nach Angaben des UKE in der dortigen Flüchtlingsambulanz Hilfe.

Das multikulturelle und interdisziplinäre Team biete Psychotherapien, sowie psychiatri­sche und psychosoziale Angebote für die Heranwachsenden an.

PB

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