Vermischtes

Unzufriedenheit mit Gesundheitssystem wächst

  • Mittwoch, 19. März 2025
/Toowongsa, stock.adobe.com
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Berlin – Dreißig Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit dem Gesundheitssystem. Dies hat eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) ergeben. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, mahnte an, dass die Politik diese Warnsignale nicht ignorieren darf.

Die Ergebnisse der heute in Berlin vorgestellten Umfrage seien eine Trendwende, so Baas. „In unseren Befragungen ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem bis 2021 kontinuierlich gewachsen, jetzt kehrt sich der Trend um. Das ist leider keine Überraschung: Seit Jahren steigt die finanzielle Belastung der Versicherten, gleichzeitig klagen Menschen vermehrt über lange Wartezeiten für Arzttermine“, sagte er. Viele hätten das Gefühl, dass das Gesundheitssystem, für das sie immer mehr zahlen müssten, immer schlechter funktioniere. 2021 hatten noch zehn Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt, mit dem Gesundheitssystem unzufrieden zu sein.

„Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist eine tragende Säule unseres Sozialstaats und damit enorm wichtig für das Vertrauen in die Demokratie“, betonte Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel. „Wer Missstände im Gesundheitswesen zu lange ignoriert, spielt dem Populismus in die Hände“. Es sei daher wichtig, dass die neue Regierung die aktuellen Umfrageergebnisse ernst nehme und das Gesundheitssystem geschützt werde.

Besonders häufig gaben in der aktuellen Umfrage Menschen mittleren Alters an, nicht zufrieden mit den gebotenen Gesundheitsleistungen zu sein, erläuterte Peter Wendt, Umfrageexperte der TK. Regional betrachtet zeigte sich vor allem der Norden Deutschlands unzufrieden. Auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland gab es demnach mehr Unzufriedene als im Rest der Bundesrepublik.

Im Vergleich zu 2021 sahen in diesem Jahr mehr Menschen Reformbedarf im deutschen Gesundheitssystem: Gaben 2021 noch zehn Prozent an, sich einen grundlegenden und umfassenden Reformbedarf zu wünschen, lag der Anteil 2025 mit 21 Prozent mehr als doppelt so hoch. Die Mehrheit der Befragten befürwortete zudem stellenweise Reformen im Gesundheitssystem (73 Prozent).

„Die Politik hat zu viele drängende Fragen ausgesessen, darunter die finanzielle Schieflage in der Kranken- und Pflegeversicherung, den Reformbedarf in der Notfallversorgung oder die Kostenexplosion bei Arzneimitteln“, sagte Baas. Mit geplanten Maßnahmen wie der Entbudgetierung oder dem Transformationsfonds im Zuge der Krankenhausreform kämen nun erstmal noch weitere Belastungen hinzu.

94 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen mit steigenden Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Für sechs von zehn Befragten ist mit Leistungskürzungen zu rechnen. Die Zweiteilung in eine private und gesetzliche Krankenversicherung findet mit 83 Prozent die Mehrheit ungerecht, 72 Prozent sprachen sich dafür aus, dass die Zweiteilung nicht bestehen bleibt.

„Die neue Bundesregierung muss die Beitragsspirale stoppen“, betonte Baas. „Die Beiträge sind auf über 17 Prozent gestiegen und Ende des Jahrzehnts werden sie bei 20 Prozent sein, wenn nichts passiert.“ Höhere Herstellerrabatte auf neue Arzneimittel könnten der Krankenkasse zufolge viel Geld sparen – ebenso die Finanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfänger.

„Für eine stabile Demokratie ist es enorm wichtig, dass alle Menschen gleichermaßen an einer guten Versorgung teilhaben können, sagte Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel. „Gleichzeitig müssen die Kosten für sie gut tragbar sein. Die stark steigenden Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sind daher Grund zur Sorge.“

Grund zur Sorge stellt den Fachleuten zufolge auch die wachsende Unzufriedenheit mit dem Angebot an Facharztpraxen dar. Lag der Anteil an Unzufriedenen im Jahr 2017 noch bei 27 Prozent, ist der Anteil 2025 auf 38 Prozent gestiegen. Einen Grund sehen die Fachleute in den Wartezeiten für einen Facharzttermin. Damit waren 62 Prozent der Befragten nicht zufrieden.

Für schnellere Arzttermine setzt die TK auf eine digitale Ersteinschätzung des medizinischen Bedarfs, entweder in Form einer App, telefonisch über die 116117 oder auch direkt vor Ort in der Arztpraxis, erläuterte Baas. Überall müsse dafür der gleiche Algorithmus genutzt werden. „Wir müssen Patientinnen und Patienten mehr Orientierung im Gesundheitssystem bieten, damit sie in die Arztpraxen kommen, in denen sie gut versorgt werden können“, so der TK-Vorstandsvorsitzende. Eine zielgenauere Versorgung entlaste auch die Ärztinnen und Ärzte.

Eine positive Entwicklung zeigte sich hinsichtlich der Digitalisierung und Neuerungen im Gesundheitssystem. Der Umfrage zufolge sind die Menschen in Deutschland überwiegend bereit dazu, sich auf Neues einzulassen. 89 Prozent befürworten demnach eine Delegation von Aufgaben an Pflegekräfte oder medizinisches Fachpersonal, die Spezialisierung der Kliniken im Zuge der Krankenhausreform sorgt bei 72 Prozent für Zustimmung.

81 Prozent gaben an, ihre Arzttermine bereits online zu buchen oder dies in Zukunft tun zu wollen. 75 Prozent wollen die elektronische Patientenakte nutzen, 68 Prozent haben gesundheitliche Probleme bereits in einer Videosprechstunde besprochen oder sind dafür offen. „Dass die Menschen für Neues aufgeschlossen sind, ist eine wichtige Grundlage, um unser Gesundheitssystem voranzubringen“, betonte Baas. Doch auch hier sei die Politik gefordert. Sie muss laut Baas dafür sorgen, dass digitale Anwendungen von Versicherten komfortabel und einfach genutzt werden könnten.

„Was muss die neue Regierung jetzt also tun?“, fragte der TK-Vorstandsvorsitzende mit Blick auf die Umfrageergebnisse und Baustellen im Gesundheitssystem. Wichtig sei vor allem eine sichere Finanzierung von Gesundheit. Beitragszahlende dürften nicht immer wieder anstelle des Staates zur Kasse gebeten werden. Die Patientensteuerung und das Vorantreiben der Digitalisierung seien weitere wichtige Ansatzpunkte.

„In der nun beginnenden Legislaturperiode brauchen wir also einen großen Gestaltungswillen in Sachen Gesundheitspolitik“, so Baas. „Den können und müssen die potenziellen künftigen Regierungsparteien in den aktuellen Verhandlungen unter Beweis stellen“.

nfs

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