Vermischtes

Viel Nachholbedarf beim Thema Endometriose

  • Mittwoch, 29. Januar 2025
/picture alliance, Annette Riedl
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Berlin – Schmerzen, Arbeitsausfälle und ein langer Weg zur Diagnose: Dass dem Thema Endometriose mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, wurde bei einem Parlamentarischen Frühstück der Healthcare Frauen und Gedeon Richter in Berlin deutlich.

„Endometriose ist nicht nur ein medizinisches, sondern ein gesellschaftliches Problem“, sagte Maria Barmbeck, Vorstandsvorsitzende der Endometriose-Vereinigung und selbst Betroffene. „Sie verursacht nicht nur immense Schmerzen, sondern beeinträchtigt das Leben in fast allen Bereichen – von der persönlichen Lebensplanung bis hin zum beruflichen Alltag“.

Schätzungen zufolge hat in Deutschland jede zehnte Frau Endometriose. Bis zur Diagnose vergehen im Schnitt sechs bis zwölf Jahre. „Das ist viel zu lang“, fanden neben Barmbeck auch andere Betroffene bei der Veranstaltung. „Warum gibt es keine allgemeine Strategie und wo und warum fehlen Gelder?“, fragte Schau­spielerin Nellie Thalbach, ebenfalls betroffen.

Abgesehen von der Bauchspiegelung gebe es bisher kaum andere Möglichkeiten, eine Endometriose zu diagnos­tizieren, erklärte Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und dem Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin.

„Es müssen neue Diagnosemöglichkeiten her und dafür brauchen wir die Forschung“, machte sie deutlich. Oft sei die Diagnose auch ein Zufallsbefund, etwa im Rahmen einer Blinddarmoperation, wie die Gynäkologin es erst kürzlich wieder erlebt habe. „Doch wir können nicht bei jeder jungen Frau eine Bauchspiegelung machen“, sagte sie.

„Bei Mammakarzinomen ist die Forschung weit vorangeschritten“, betonte Sylvia Mechsner, Leiterin des Endo­metriose Zentrums an der Charité Berlin. Dahin müsse man auch mit der Endometrioseforschung kommen. Die Krankheit sei komplex, man müsse sich von verschiedenen Seiten nähern. Erst kürzlich seien Gelder freigegeben worden. „Wenn wir weiter in die Forschung investieren, können wir das auch schaffen“, machte sie deutlich.

Die Forschung sei auch wichtig, damit die Krankenkassen entsprechende Leistungen übernehmen könnten und die Frauen nicht noch unter einer finanziellen Belastung leiden müssten, betonte Martina Zimmer­mann von der mkk Krankenkasse. „Wir brauchen die Forschung und das Evidenzbasierte“.

Maßgebend sei es auch, zukünftige Gynäkologinnen und Gynäkologen ausreichend auszubilden, sagte Konstantin Wagner. Im Medizinstudium und in der Weiterbildung spiele Endometriose bislang eher eine untergeordnete Rolle. Wenn sie dann in die Praxen kämen, hätten sie von der Krankheit keine große Ahnung, spricht er auch aus eigener Erfahrung.

Sprechende Medizin wird nicht abgebildet

Betroffene Frauen müssten sich ohnehin viel zu sehr selbst um sich kümmern, so Wagner. In der Praxis bleibe oft zu wenig Zeit, um mit den Frauen zu sprechen, ihnen ausreichend zuzuhören und sie aufzuklären. „In den 7,6 Minuten, die wir pro Patientin haben, ist das einfach schwierig abzubilden – aber es geht, auch wenn wir wenig Geld dafür bekommen und sich da dringend etwas tun muss“, sagte er.

„Unser Gesundheitssystem bildet die sprechende Medizin nicht ab – das ist unser größtes Problem“, betonte auch Nicole Mattern, niedergelassene Gynäkologin. Die Gynäkologie sei der Ort, an dem Frauen, die Ängste und Schmer­zen hätten, über ihre Probleme reden sollten. Frauen hätten ein Recht darauf, über das Thema Endome­triose aufgeklärt zu werden.

Betroffene sollten nicht über falsche Informationen in den Medien verunsichert werden. „Wir brauchen Medien, die darüber sinnvoll informieren und aufklären – aber wir brauchen auch die Gespräche in der Praxis“, sagte sie.

„Doch die Zeit können wir uns als Ärzte oft nicht nehmen“, so Mattern. Problem sei der Einheitliche Bewertungs­maßstab (EBM), der die sprechende Medizin nicht abbilde – dies dürfe einfach nicht sein. „Die Politik muss eine adäquate Honorierung für die sprechende Medizin schaffen“, forderte sie. „Übrigens nicht nur für die Endome­triose, das gilt natürlich auch für andere große Themenkomplexe wie beispielsweise die Menopause“.

Dynamik weiterverfolgen

Vor ein paar Jahren habe sie noch Mühe gehabt, mit ihren Forderungen zur Frauengesundheit überhaupt gehört zu werden, berichtete Martina Stamm-Fiebich, SPD-Abgeordnete im Bundestag und Mitglied im Gesundheits­ausschuss.

„Ich freue mich, dass ich sagen kann, dass wir die letzten paar Jahre zum Thema Frauengesundheit wirklich wei­tergekommen sind“, sagte sie. Man müsse die Dynamik der vergangenen Jahre weiterverfolgen. Erkrankungen, die Frauen betreffen würden, seien schon viel mehr in der Öffentlichkeit angekommen, so Stamm-Fiebich.

Dem stimmte auch Kristine Lütke, FDP-Abgeordnete im Bundestag und Mitglied im Gesundheitsausschuss, zu. „Wir haben noch als Koalition, gerade im Bereich der Endometriose, einiges auf den Weg bringen können“, sagte sie. Unter anderem seien Forschungsgelder bereitgestellt worden.

„Aber es ist noch nicht genug“, betonte Lütke. Der erste Schritt sei gemacht worden, doch Themen wie die Endo­metriose oder Menopause dürften nun nicht ins Hintertreffen geraten. Es müsse über Partei- und Fraktionsgren­zen auch in der nächsten Legislatur weiter für die Frauengesundheit gearbeitet werden.

nfs

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