Weltbevölkerungsbericht: Viele Menschen haben keine freie Wahl bei Familienplanung

Berlin/Hannover – Weltweit haben viele Menschen bei der Familienplanung keine freie Wahl. Unbeabsichtigte Schwangerschaften seien immer noch genauso weit verbreitet wie unerfüllte Kinderwünsche, heißt es im Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen (UNFPA), dessen deutsche Fassung in Berlin vorgestellt wurde.
Regierungen versuchen demnach zunehmend, sowohl hohe Geburtenraten als auch sinkende Kinderzahlen mit politischen Maßnahmen zu beeinflussen – oft allerdings mit kurzfristigen oder sogar gegenteiligen Effekten.
Dem UNFPA-Bericht liegt eine Umfrage unter 14.000 Menschen aus 14 Ländern in Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika sowie den USA zugrunde, wo zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung lebt. Die Umfrage zeigt auf, dass viele Frauen und Paare großen Hindernissen gegenüberstehen, sowohl wenn sie eine Schwangerschaft vermeiden als auch wenn sie sich einen Kinderwunsch erfüllen wollen.
„Die wahre Krise besteht darin, dass Menschen sich nicht in der Lage fühlen, die Familien zu gründen, die sie sich wünschen“, erklärte der Direktor für Auswärtige Beziehungen bei UNFPA, Ian McFarlane, in Berlin. „Diese Krise betrifft den Globalen Norden ebenso wie den Globalen Süden.“
Weltweit haben 44 Prozent aller Frauen und Mädchen dem Bericht zufolge keine Entscheidungsgewalt über ihre sexuellen Beziehungen, Verhütung oder reproduktive Gesundheitsversorgung. Mehr als 750 Millionen Frauen, rund 40 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter, leben demnach in Ländern mit restriktiven Gesetzen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Dort greifen viele Frauen zu unsicheren Methoden für eine Abtreibung - weltweit gelten etwa 45 Prozent aller Abbrüche als unsicher.
Auf der anderen Seite berichteten 23 Prozent der Befragten von einem unerfüllten Kinderwunsch, mehr als 40 Prozent von ihnen mussten diesen Wunsch letztlich ganz aufgeben. Die Hauptgründe sind finanzielle Sorgen (50 Prozent), gesundheitliche Probleme (24 Prozent) und Zukunftsängste (19 Prozent). Sie ähneln damit den Gründen, die im umgekehrten Fall auch Verhütung erschweren.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Über alle Länder hinweg wünschen sich die Menschen im Schnitt ungefähr zwei Kinder. Aber unter den Befragten über 50 Jahren, die ihre Familienplanung bereits abgeschlossen hatten, gaben 31 Prozent an, weniger Kinder bekommen zu haben als geplant. Zwölf Prozent bekamen dagegen mehr Kinder als geplant.
Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, aus wirtschaftlichen Gründen keine weiteren Kinder bekommen zu haben. Zugleich gab jede und jeder Fünfte an, unter Druck gesetzt worden zu sein, ein Kind zu bekommen. Jede dritte Erwachsene berichtete von einer ungewollten Schwangerschaft.
„Weltweit findet ein Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung von Frauen statt“, erklärte Niels Annen, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium in Berlin. „Sexuelle und reproduktive Rechte, die sich Frauen in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben, stehen vielerorts unter Druck.“
Angela Bähr von der Stiftung Weltbevölkerung (DSW) forderte, die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben „mit oder ohne Kinder“ zu schaffen und so "echte Wahlfreiheit" zu ermöglichen.
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