Wie vor 125 Jahren Aspirin entdeckt wurde

Berlin – Schon der Urvater aller Medizin, der Grieche Hippokrates, wusste im 4. Jahrhundert vor Christus, dass ein Extrakt aus Weidenrinde Schmerzen aller Art lindert. Vor 125 Jahren, am 10. August 1897, veredelte der Chemiker Felix Hoffmann den Naturstoff „salicis cortex“ mit chemischen Methoden und erfand in der Verbindung mit Acetyl ein weltberühmtes Medikament: Acetylsalicylsäure – bekannt als Aspirin.
Das Mittel machte wie kein anderes Produkt den Namen Bayer bis heute rund um den Globus bekannt. 1894 trat Hoffmann nach einem Pharmazie- und Chemie-Studium bei Bayer ein, in das wissenschaftliche Labor in Elberfeld. Er hatte die Aufgabe, neue Arzneimittel zu entwickeln.
Eine Rolle soll dabei gespielt haben, dass sein Vater unter Rheuma litt. Um die Beschwerden zu bekämpfen, nahm er Salicylsäure zu sich – die jedoch scheußlich schmeckt und auch die Magenschleimhaut angreift. Hoffmann fing an, im Labor zu experimentieren – und entdeckte 1897 eher zufällig, dass eine Mischung mit Essigsäure die Salicylsäure viel verträglicher macht.
Der für die Prüfung zuständige Pharmakologe Heinrich Dreser, der das Laboratorium der Bayer AG damals in Elberfeld leitete, war zunächst skeptisch. Acetylsäure steht in dem Verdacht, Herzschwäche hervorzurufen – doch nach einigen Untersuchungen hinsichtlich Wirkung und Verträglichkeit wurde „das pharmazeutische Wunder deutlich“, schreibt die Bayer AG auf ihrer Homepage rückblickend. „Hoffmann hat einen schmerzstillenden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Wirkstoff entdeckt“.
Eine andere Version der Geschichte geht davon aus, dass es der Chef von Felix Hoffmann war, Arthur Eichengrün, der den größeren Anteil an der Herstellung der Substanz hatte – so habe er den Auftrag erteilt und alles für den Versuch vorbereitet, sagte etwa der schottische Historiker Walter Sneader.
Eichengrün, der als deutscher Jude von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und in den 1940er-Jahren im KZ Theresienstadt inhaftiert war, machte demnach damals selbst kurz vor Kriegsende in einem Brief an das NS-Regime auf seine Miturheberschaft aufmerksam – allerdings 30 Jahre nach der Herstellung.
Exakt ermitteln lässt sich die Wahrheit wohl nicht mehr. „Mehrere Namen“ seien mit der Erstbeschreibung des chemischen Syntheseproduktes Acetylsalicylsäure verbunden, stellt der Pharmakologe Karsten Schroer fest. „Unstrittig“ sei jedoch das besondere Verdienst von Felix Hoffmann.
Er habe nicht nur zum ersten Mal reine Acetylsalicylsäure hergestellt, sondern sei auch derjenige gewesen, „der zusammen mit dem Leiter der pharmazeutisch-wissenschaftlichen Abteilung der Bayer-Werke, Eichengrün, erstmals die Substanz am Menschen erprobte und damit über die reine Synthese einer organischen Verbindung hinaus ein potenzielles Arzneimittel schuf“, so Schroer.
Mit Hochdruck entwickelte Bayer ein kostengünstiges Herstellungsverfahren, um den so vielversprechenden Wirkstoff als Medikament zu produzieren. Unter dem Namen Aspirin wurde es 1899 zunächst als Pulver – abgefüllt in Glasflaschen – angeboten. Von der Herstellung im Labor bis zur Markteinführung dauerte es nur zwei Jahre.
Aspirin ist ein wahrer Tausendsassa, verhindert etwa auch das Zusammenklumpen der Blutplättchen und wird deshalb auch eingesetzt, um Blutgerinnseln und Schlaganfall vorzubeugen. 50.000 Tonnen Acetylsalicylsäure werden heute pro Jahr produziert.
Felix Hoffmann kreierte übrigens bald nach der Herstellung von Acetylsalicylsäure in seinem Labor eine weitere Substanz, die – fälschlicherweise – als völlig risikofrei befunden und bald von Bayer bis 1931 in der ganzen Welt verkauft wurde: Heroin.
Erst in den 1950er-Jahren wurde die Vermarktung im Betäubungsmittelgesetz verboten. Seit 2009 ist der Einsatz in sehr engen Grenzen ausschließlich zur medizinischen Nutzung wieder erlaubt.
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