Vom Arztdasein in Amerika

Angst vor dem Rechtsanwalt

  • Freitag, 10. August 2012

Würde man ein Märchen vom Arztdasein in den USA erzählen, dann würden große Teile der Geschichte in Rosatönen vorgetragen: Ein Lobeslied würde angestimmt über das hohe Ansehen als Arzt in der US-Gesellschaft, die vielen Möglichkeiten hinsichtlich Diagnostik und Therapie, die nur wenig vom Staat und den Krankenversicherungsgesellschaften eingeschränkt werden, das gute Verhältnis zwischen Pflege und Arzt, die guten Genesungsbedingungen für den Patienten in den bequemen Einzelzimmern und dem hohen Verdienst als Arzt, Krankenpfleger und Krankenhausadministrator. Doch so wie es einen bösen Wolf, einen Räuber oder einen bösen König im Märchen gibt, so gibt es auch im Märchen über die US-Medizin Bösewichte.

Der juristische Druck gehört wohl zu einem der bedrückendsten Aspekte. Ich will hierzu drei Fallbeispiele aus der Juliausgabe (Ausgabe vom 23 Juli, 2012) des American Medical News zitieren und damit das Absurde der US-Rechtssprechung exemplarisch anführen.

Fall 1: Martin gegen NYCHH et al. Jacqueline Martin hat eine seltene Hauterkrankung. Sie wird in drei Krankenhäusern im Staate New York aufgenommen, aber alle drei Krankenhäuser kommen zu keiner abschließenden Diagnose. Dadurch kommt es zur Progredienz mit neurologischem Befall und Hirnschaden. Die Familie verklagt den Neurologen und die drei Krankenhäuser und bekommt 120 Millionen US-Doller als Schadenersatz im Mai 2012 zugesprochen.

Fall 2: Mulkerin gegen Cho. Im Rahmen einer koronaren Angiographie wurde eines der Herzkranzgefäße bei der Patientin Holy Mulkerin verletzt, und sie erlitt einen Herzinfarkt postinterventionell. Sie verklagte den Kadiologen und das Medina General Krankenhaus in Ohio und erhielt 10 Millionen US-Dollar im April 2012 zugesprochen.

Fall 3: Georg Clay Chandler gegen Memorial Hospital Jacksonville et al. Clay Chandler unterzog sich aufgrund seiner Adipositas permagna einer Magenbypass-OP. Seine schwerwiegenden postoperativen Komplikationen wurden laut ihm inadäquat behandelt, woraufhin er die Ärzte und das Krankenhaus verklagte und im Januar 2012 178 Millionen US-Dollar zugesprochen bekam.

Das sind beängstigende Fälle und wirklich böse Wölfe im US-Medizinmärchen. Das sind Summen, die jegliches Vermögen einer Einzelperson bei weitem übersteigen und auch von keiner Versicherung abgedeckt werden. Im Falle eines solchen juristischen GAUs bleibt dann für viele Ärzte nur noch die Privatinsolvenz, und ein Neuanfang in einer anderen Karriere wie z.B. im McDonald’s. Bis man dann dort verklagt wird, weil der Kaffee zu heiß serviert worden war und jemand ihn verschüttet hat.

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